Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

2011 22 Jul

Andy Warhols Tonbandgerät

von: Jochen Siemer Filed under: Blog | TB | 2 Comments

Egal, ob auf der Schwelle zum Schriftstellerwerden, ob als Songwriter, oder schlicht als problembeladener und mitteilungsbedürftiger Durchschnittsbürger – folgende Information, die Sloterdijks genialem Hauptwerk Sphären entstammt, könnte hilfreich sein:

„Mit dem Erwerb meines Tonbandgeräts (im Jahr 1964) ging das, was ich an Gefühlsleben gehabt haben mag, endgültig zu Ende, und ich war froh darüber. Nichts ist jemals wieder zu einem Problem geworden, weil ein Problem jetzt immer nur ein gutes Tonband war, und sobald sich ein Problem in ein gutes Tonband verwandelt, ist es kein Problem mehr.
Ein interessantes Problem war ein interessantes Tonband.“

(Andy Warhol, Die Philosophie des AW).“

Sloterdijk präsentiert dieses Beispiel im Kontext von Selbstergänzungstechniken, zu denen Blogs ja ebenso gehören können wie spiritistische Sitzungen oder Kopfhörerkathedralen. Man kann es aber auch als Hinweis lesen auf das, was jeder Künstler kennt: Aus allem, was man vorfindet, sogleich etwas Anderes zu machen – es als Material zu benutzen.
„Und hokuspokus wird aus Sch… Gold!“, ruft freudenvoll der Alchemist.

Natürlich helfen bei Hals- und Beinbruch eher Gips und Chirurgenhände – and shit happens, anyway. Ebensowenig wie seine Frau mit einem Hut zu verwechseln, sollte man natürlich auch lebendige Gesprächspartner als tape-recorder (Verbandsgerät) mißbrauchen – als Zeugenschaft für permanentes Opfersein, um seine erlernte Hilflosigkeit zu legitimieren.
But talking always is a cure – even talking to machines (or paper).

This entry was posted on Freitag, 22. Juli 2011 and is filed under "Blog". You can follow any responses to this entry with RSS 2.0. Both comments and pings are currently closed.

2 Comments

  1. Michael Engelbrecht:

    Oh ein Text wie ein Perpetuum mobile:) Dazu fällt mir ein, das ich mal im Cafe Max einen Bildenden Künstler kennen lernte, der Andy Warhol für den Blinddarm der Kunstgeschichte hielt und Richard Wagner für das muskalische Genie schlechthin, der das ganze 20. Jahrhundert vorweg genommen habe. Eine Zeitlang habe ich mit ihm diskutiert, schliesslich habe ich ihm gesagt (so nah liegen Kunstgespräche und das Kulinarische zuweilen beieinander), dass er voll einen an der Waffel habe.

  2. Karma Chameleon:

    Warhol sagte dann auch noch den allerschönsten Satz: „My mind is like a tape-recorder with one button: erase.“


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