Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

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Archives: Juni 2011

2011 17 Jun

David Wants To Fly

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Den Meisterregisseur David Lynch persönlich treffen und mit ihm übers Filmemachen reden! – Für den jungen David Sieveking geht ein Traum in Erfüllung, als er seinem Idol im Frühjahr 2006 erstmals direkt gegenübersitzt. Das Treffen findet am Rande eines Workshops in den USA statt. Lynch spricht dort über die Quellen der Kreativität. Und über die Transzendentale Meditation, eine Meditationstechnik, die der Kultregisseur seit über 30 Jahren tagtäglich praktizieren soll. Ist die Meditation das Geheimnis hinter Lynchs abgründigen Filmen? Die Recherchen des Filmemachers David Sieveking führen ihn hinter die Kulissen der Organisation der Transzendentalen Meditation, begründet einst vom legendären Yogi Maharishi Mahesh.

Enthüllungsjournalismus der etwas anderen, und gewiss brillianten Art! Ein Augenöffner, die Manipulierbarkeit des Menschen betreffend. Die DVD-Edition ist exzellent. Sie enthält ausführliche Extras inc. Interviews mit renommierten Philosophen, Medizinern , Sektenforscher, die das Phänomen „TM“ in seine zum Teil bestürzenden, zum Teil ernüchternden Bestandteile zerlegen. Das Geschäft mit der Erleuchung! Manche Episopden sind fast tragikomisch (z.B. wenn der deutsche TM-König sich in Berlin als guter deutscher König präsentiert, der das Land unbesiegbar machen möchte). Die Interviews beginnen stets mit Anklängen an die berühmte Twin Peaks-Musik von Angelo Badalamenti. Der Regisseur verrät im Making of-Interview, dass er sich mitunter fühlte wie der Doughnuts verspeisende Detektiv in der Mystery-Serie.

2011 16 Jun

Scobel (2)

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Über Liebe. Heute, 3Sat, 21:00 Uhr.

Aaron Ben-Ze’ev ist Professor für Philosophie, Präsident der Universität Haifa und einer der bedeutendsten Emotionsforscher. Mit seinem Werk „Die Logik der Gefühle“ gelingt es ihm, die schwer greifbare Welt der menschlichen Emotionen in ihren Mustern, Strukturen und feinsten Ausdifferenzierungen in eine überraschend klare Ordnung zu bringen. In „Love Online“ konkretisiert er seine Erkenntnisse und untersucht die Bedingungen der Liebe im Zeitalter des Internet. Gert Scobel spricht mit Aaron Ben-Ze’ev über Sinn und Unsinn des romantischen Liebesideals, über die Besonderheiten von Online-Beziehungen und über die Frage, wie aus echter Liebe Schmerz und Gewalt werden kann. Aaron Ben-Ze’ev hat in einer größeren Studie Mörder untersucht, die ihre Ehefrau oder Geliebte „aus Liebe“ getötet haben. Aber auch die alltäglichen Probleme der Liebe sind Thema:
Den „Liebesblog“, den Ben-Ze’ev regelmäßig im Internet veröffentlicht, mit neuen Informationen aus der Liebesforschung, aber auch mit praktischen Ratschlägen zu konkreten Liebesproblemen, bildet die Sendung in einem Frage- und Antwortspiel ab.
(3Sat)

2011 16 Jun

Sylvians Anderswo

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Seit BLEMISH, spätestens aber MANAFON und den daraus erwachsenen, eigenständigen Variationen auf DIED IN THE WOOL fragt man sich, welcher Kategorie dies alles wohl zuzuordnen sei. Für Jemanden, der Musik vorzugsweise durch Antizipation bzw Ahmung (1) rezipiert, gestalten sich die jüngsten Gradwanderungen des Popmusikers David Sylvian als schwierig. Man findet dort nichts, was zum Mitspielen, Mitsingen, Mitschwingen einlädt – egal ob in der Badewanne oder in anderen Übungsräumen.

„Das Leben ist Anderswo“, betitelte einst Milan Kundera ein Buch und Sylvian scheint der implizierten Forderung, dieses Anderswo zu suchen, in seinem musikalischen Schaffen nachzukommen – gewiß kennt er den tschechischen Autor, sein Song „Laughter And Forgetting“ (GONE TO EARTH) zeugt davon.

Kritische Geister behaupten aber, Leben sei in seinen ungeheuerlichen Klanglandschaften neuerdings ebenso wenig zu finden wie Musik und böse Zungen sprachen gar von „Geräuscherzeugnissen“ – also Lärm. (Auch in Kunderas „Unerträglicher Leichtigkeit des Sein“ ist von Lärm-Musik, genannt „muzak“, die Rede. Gemeint ist dort aber der einfältige, nervige Schlager)

Sylvian verweist den Hörer seiner neuen Werke auf eine Zaungast- und Zeugenposition, die sich darauf beschränkt, Klangereignisse nur wahrzunehmen, anstatt dort selbst aktiv mitzumischen. Das mag auch einer der Gründe sein, weshalb Improvisierte Musik und Neue Musik es generell schwer haben, ein größeres Publikum zu erreichen: man bleibt dort irgendwie „aussen vor“.

„Die authentische Neue Musik existiert vor allem als eine Expertenpraxis, in der es kaum um ein Singen und Spielen im Sinne der traditionellen naiven Musikalität geht, sondern um die Exploration der Klangproduktionsmittel und der Kompositorischen Verfahren …
schrieb Peter Sloterdijk 1993 in WELTFREMDHEIT über die Kategorien der Musik.

Improv-Musik, und auch die abstrakteren Song- und Samplegebilde David Sylvians, verbleiben wohl doch, wie der moderne und teilweise dahinmodernde („it smells funny“) Jazz auch, in einer vertrauteren, von Sloterdijk folgendermassen beschriebenen Kategorie:
„Die performative Musik versucht, sich mit offensiven Mitteln den Weg zum Publikum zu bahnen. Auch sie hält am Primat der Hervorbringung fest, indem sie die Klang-und Bühnenereignisse den Hörererwartungen agressiv überordnet.“

Und so bleibt auch die Musik des einstigen Art-Punk-Eleven immer noch auf die roots von Folk; Blues; Jazz; Rock; Pop und Ambient bezogen – wenn auch in sehr sublimer Weise. Denn in ihr ist etwas Neues, ein Anderswo enthalten, das so mancher Ex-Verehrer seinem Ex-Popstar übelnimmt. Die Erwartungen dieser Hörerschaft werden seit BLEMISH gehörig blamiert – möchte man doch lieber auf dem Fluß vertrauter Gewässer weiterrudern.

„Das Leben ist ein langer ruhiger Fluß“ – von wem war das nochmal, zuguterletzt?
Von Kundera jedenfalls nicht. Ist auch egal, denn es stimmt eh nicht: nicht an Weser, Rhein und Themse – und auch nicht Anderswo.


(1) Der Begriff Ahmung stammt von Christian Kellerer, dessen Buch „Der Sprung ins Leere. Objet trouvé – Surrealismus – Zen“ leider schon seit Langem  vergriffen ist.
Ahmung: dieser Begriff umfaßt die unbewußte Reaktion des Nachahmens im Sinne eines Mitschwingens. Im Gegensatz zum Imitieren vollzieht sich Ahmen beim Menschen völlig unbewußt und ungewollt mit weitreichenden Auswirkungen.“ (www.christian-kellerer.de)

2011 14 Jun

Reader´s Digest

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Das Folgende gehört wohl stimmungsmäßig zum Erna-Und-Herbert-Zyklus unserer Kalendergeschichten, ist zeitlich teilweise sogar noch etwas früher angesiedelt: meine Eltern, nennen wir sie hier mal Jan und Elsbeth, hatten damals, als wir Kinder waren, alles Mögliche abonniert: regelmäßige Büchersendungen vom Bertelsmannverlag, verschiedene Zeitschriften. Darunter auch Eltern, ein Magazin, das Hilfestellung gab bei der fachgerechten Aufzucht der nicht immer pflegeleichten Gören.

Als gerademal Zehnjähriger las ich darin mit detektivischer Sorgfalt, um zu prüfen, ob der Inhalt auch meinem Interesse und dem meiner kleinen Geschwister entsprach. Mit Freude und Genugtuung stellte ich fest, dass ein Artikel über O´Neills Summerhill dazu führte, dass Jan und Elsbeth ein Buch dieses Autors über „Antiautoritäre Erziehung“ kauften. Ich entlieh es klammheimlich vom Nachttisch, las es selbst und war erfreut: „Um meine Eltern muß ich mir keine Sorgen machen, sie sind auf einem guten Weg“. Dass man hier und da mal rückfällig wurde – geschenkt. Die Nazizeit lag ja grad mal ein paar Jährchen zurück.

Als mir zum Ende eines heissen, sonnenreichen Sommers – ich war schon deutlich älter als Zehn – der illegale Anbau gewisser Pflanzen, die Ähnlichkeiten mit Tomaten aufweisen, gut einen Meter „über den Kopf wuchs“, fragte Jan nach feierabendlichem Rundgang auf dem großen Grundstück: „Was sind das da oben eigentlich für riesige Pflanzen, Elsbeth?“
Seine Frau entgegnete: „Das? Ooch, das sind Tomaten.“ Warum ein landwirtschaftlich äußerst bewanderter Mann wie Jan dem nicht weiter nachging? Vielleicht der Einfluss der englischen Summerhillschule, vielleicht die Feierabendmüdigkeit, vielleicht auch die Einsicht in liberal-matriarchale Vernunft nach patriarchal dominierendem Arbeitsalltag.

Die Motivation meiner Mutter hingegen kannte ich, hatte ich ihr doch einen winzigen Teil der Ernte als äußerst gesunde, appetitanregende Gewürzmischung versprochen und angepriesen. – Worauf ich aber eigentlich hinauswollte: unter den oben erwähnten abonnierten Zeitschriften befand sich auch eine eher buchähnliche: Reader´s Digest.
In letzter Zeit denke ich oft an dieses merkwürdige Sammelsurium aus Allem und Nichts (Everything And Nothing), an dieses Kuriositätenkabinett – so jedenfalls hab ich es in Erinnerung. Ähnlichkeiten mit einem vielversprechenden Blog auf dem aufsteigenden Ast,
der auch zu Allem und Jedem was verfasst, sind natürlich rein zufällig. Sein Name: Manafonistas.

2011 13 Jun

Ich bin ein Sequencer

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„Sequencing is always a major part of how music is ultimately perceived.“ (Craig Taborn)

Ein dummer Fehler war schuld: ich hatte mir ein Interview mit Justin Vernon (Bon Iver) angehört, das Michael Maurer zu dessen neuer CD „Bon Iver, Bon Iver“ geführt hatte. Einen OTON wollte ich ihm daraus abkaufen, der die Geschichte zum Song „Hinnom, Tx“ erzählt. Das Highlight seines Interviews. Leider landete der OTON im Spam, so daß ich den Song (als die Lieferfrist abgelaufen war) rausschmiss und eine wirklich spannende Stunde lang nach einem neuen Eröffnungstrack der nächsten „Klanghorizonte“ suchte. Schliesslich fand ich einen Donovan-Song aus seinem alten Doppelalbum A GIFT FROM A FLOWER TO A GARDEN. Mittlerweile missfiel mir auch meine Entscheidung, eine zehnminütige Komposition aus der neuen Arbeit des isländischen Komponisten Johann Johannsson zu verwenden. Eine gelungene Hommage an das Schicksal von englischen Grubenarbeitern, aber es schien mir nicht ganz in den flow der Stunde zu passen. Ich suchte ein kurzes, kammermusikalisches Stück und wurde bei ENGLABORN fündig.

Die Klanghorizonte erlauben ja, aus jedem Musikgenre Tracks herzunehmen. Das macht die Sache spannend und (ein bisschen) schwierig: denn eine Dramaturgie muss her, was hier bitteschön nicht hochtrabend klingen soll: die Reihenfolge der Stücke muss (auch wenn ich zuweilen mit Brechungen und Kontrasten spiele) stimmig sein, fast schon eine sich selbst erzählende Geschichte darstellen. Dazu kommt noch eine kleine Limitierung: zwei Monate vor der Sendung habe ich für diverse Programmankündigungen schon jeweils drei Namen für die Sendungen des Nachtradios zu nennen. In diesem Fall waren es: Johann Johannsson, Popol Vuh und Low. Zwar achte ich darauf dass diese Zusammenstellung eine gewisse stimulierende  (nicht unbedingt zwingende) Logik hat, doch sind damit drei feste Größen formuliert, um die herum das „Sequencing“ entsteht.

Es taten sich neue Spielräume auf, als ich aus einem 10-Minuten-Stück des Isländers ein 1-Minuten-Stück an dessen Stelle gesetzt hatte. Durch das Email-Interview mit Craig Taborn war ich noch tiefer in AVENGING ANGEL eingedrungen, und es wäre widersinng gewesen, dieses Meisterwerk nicht in das fröhliche Spannungsfeld der Stunde einzubauen. In einer kleinen „ECM-Corner“ gesellte sich Marylin Mazur hinzu, dessen CELESTIAL CIRCLE eine ihrer besten Platten ist. Spirituell empfindende Menschen (wie die Dänin) müssen aufpassen, dass aus ihrem kosmischen Grundempfinden kein raunendes Pendant zum Bäume-Umarmen wird, und all diese Gefahren umgeht der HIMMLISCHE KREIS sehr gekonnt, mit den Mitteln der Reduktion.

Im Lauf des „Sequencing“ galt es noch, die zahlreichen Vorträge der Rick Holland-Gedichte zu den Tracks der neuen Brian Eno-CD so zu gestalten, dass man beim Hören nicht überfrachtet wird. Und so sorgte ich durchgängig dafür, daß nach einer Gedichtübersetzung,  und nach dem darauf zu hörenden Eno-Stück (what a fabulous record, by the way!) erstmal keine neue Moderation kam, sondern jeweils reine Instrumentalmusik, welche  die „spoken-word-performances“  nachwirken lässt und auch dem Raum zwischen den Klängen  Luft (diesen Job erledigen Fourcolor, Johannsson, M. Ostermeier und Rafael Toral glänzend!). 

Und dann war´s geschafft. Ich warf einen letzten Blick auf die „playlist“ (s.a. Kommende Radiosendungen mit M.E.) und stellte mit einem Schmunzeln fest, was so noch gar nicht im Schilde geführt war: eine heitere Psychedelik, wenn man auf die Namen etlicher Alben blickt: da wimmelt es nur so von „Farben“, „Blumen“, „Himmel“, „Glocken“, „Garten“, „Weltraum“, „Winter“ (Bon Iver heisst eben auch „Guter Winter“). Aber ich verspreche: es wird kein bisschen kitschig. Und Eno nach Donovan: das passt hundertprozentig. Nicht nur, weil beide eine „romantische Ader“ haben. Die Brian gerne verleugnet, wenn er sich einen „anti-romantic“ nennt. Da irrt er aber. Bei ihm verwandeln sich selbst halb-automatisierte Kompositionen mit scheinbar extrem geringem Input des Komponisten (z.B. „Discreet Music“ oder „Neroli“) in reine Sehnsuchtsstoffe (nicht nur in dieser Hinsicht ist die jüngst erschienene Doku-DVD „Brian Eno 1971-1977; The Man Who Fell To Earth sehr empfehlenswert). Tja, und  ich bin also ein „Sequencer“. Welche Handbewegung hätte ich mir wohl dafür ausgedacht, in den Sechziger Jahren, bei Robert Lemkes „Was bin ich“?

Hier könnte man sich auch fragen: „Wo bin ich?“. Das ist das Cover der neuen CD THE RULES OF ANOTHER SMALL WORLD von M. Ostermeier.So muss das gewesen sein, schreibt DE:BUG, als Eno mit gebrochenem Bein auf dem Sofa lag und die Platte nicht umdrehen konnte. Die Geräuschkulisse von draußen immer dominanter wurde und sich das mit dem Ambient langsam konkretisierte, in leisen Tönen. “The Rules Of Another Small World” ist einfach immer da. Klimpert ein bisschen, blubbert tapfer vor sich hin, mäandert von links nach oben und über rechts unten wieder zurück. Komplett unauffällig also, und doch sind die kleinen Etüden von Ostermeier faszinierend und fesselnd. Wie das Ticken einer Uhr, das man gar nicht mehr richtig wahrnimmt und doch etwas vermissen würde, wenn es plötzlich nicht mehr da wäre. Einfach fantastisch, mit oder ohne gebrochenem Bein. https://www.tenchrec.com

Melvin Dobbs hat sich für die Wissenschaftsausstellung seines letzten Schuljahrs an der Ellsworth High School einen ganz besonderen Beitrag einfallen lassen. Der von seinen Mitschülern misstrauisch beäugte Sonderling schockt sein Publikum mit einer selbst konstruierten Wiederbelebungsmaschine. Als Testobjekt dient ihm die Leiche einer kürzlich bei einem Autounfall verschiedenen Schülerin, die er eigens für das Experiment auf dem Friedhof ausgebuddelt hat und nun mittels einer Autobatterie wieder zum Leben zu erwecken versucht. Wenig überraschend schlägt der Versuch fehl, und Melvin landet für seine durchgeknallte Aktion in einer Nervenheilanstalt. Die Jahre vergehen. Vicki Chandler, eine einst von Melvin umschwärmte und immer noch unter den traumatischen Vorgängen der Vergangenheit leidende Klassenkameradin, kehrt aus beruflichen Gründen nach Ellsworth zurück. Hier trifft sie auf den mittlerweile aus der psychiatrischen Unterbringung entlassenen Melvin, der weiterhin seinen Forschungen auf dem Gebiet der Totenerweckung unbemerkt von der Öffentlichkeit nachgeht. Dabei erzielt er schon bald erschreckende Fortschritte, die den guten alten Dr. Frankenstein dagegen wie einen Waisenknaben aussehen lassen. Melvin möchte die von ihm angebetete Vicki nur zu gerne zu einer weiteren Versuchsperson machen, um ihre unsterbliche Liebe zu gewinnen. Doch die hat aus erfindlichen Gründen etwas dagegen …

Wahrscheinlich denkt der geneigte Manafonista, was denn jetzt hier abgehe. Wieder ein schräger Literaturtipp? Ja, schon, aber diesmal ist es Sibylle Berg, die auf ihrer Homepage ihre Empfehlung ausdrückt für die Splatter-Romane von Richard Laymon. Genauer genommen für dessen Schocker „Nacht“. Ich habe hier die knappe Inhaltsangabe eines anderen wiedergegeben („Das Grab“), damit speziell Josie (als Berg-Bewanderter) nicht zu viel verraten wird, wenn er sich über den Klassiker aus dem Bastei-Lübbe-Verlag hermacht (oder ist es Heyne?). Um seine Nachtruhe wird es geschehen sein, und die „Müdigkeitsgesellschaft“ wird es freuen. Besonders, wenn dann noch „The collected works“ des 2001 verstorbenen Autors verschlungen werden – suchtartig! Wahlöö und Dibdin, die einstigen Krimiinitiationen von Josie, sind dagegen nur plumper Sozialrealismus. Ja, Frau Berg sollte eine Manafonista werden. Als kleines Lockangebot widme ich ihr jetzt schon mal, zum Gutwettermachen, mein gestrig verfasstes Poem „Kleine Türen (Verena Place)“. Ich jedenfalls habe „Nacht“ bestellt – und bin sicher, daß dieser Roman von mir nicht im Papiermüll entsorgt wird – wie einst Tellkamps „Der Turm“, Grass´ „Der Butt“, oder Handkes „Der Chinese des Schmerzes“.

2011 12 Jun

Frohes Pfingsten

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Das empfehlenswerte Büchlein “Die Müdigkeitsgesellschaft” des koreanischen Philosophen Byung Chul Han war kurz nach dem Erscheinen sofort vergriffen, ist mittlerweile aber wieder erhältlich. Gottseidank – denn es enthält eine Fülle von Anregungen und plausiblen, originellen Erklärungen zur Situation der gesellschaftlichen Gegenwart. Im Folgenden bezieht sich Autor Han auf Peter Handke´s Versuch über die Müdigkeit und es wird erklärt, warum gerade sie ein Heilmittel sein könnte für so manche Malaise:

Handke entwirft eine immanente Religion der Müdigkeit. Die fundamentale Müdigkeit hebt die egologische Vereinzelung auf und stiftet eine Gemeinschaft, die keiner Verwandtschaft bedarf. In ihr erwacht ein besonderer Takt, der zu einer Zusammenstimmung, zu einer Nähe, zu einer Nachbarschaft ohne jedes familiäre, funktionelle Band führt:

Ein gewisser Müder als ein anderer Orpheus, um den sich die wildesten Tiere versammeln und endlich mitmüde sein können. Die Müdigkeit gibt den verstreuten Einzelnen den Takt.” 

Jene Pfingstgesellschaft, die zum Nicht-Tun inspiriert, ist der Aktivgesellschaft entgegen-gesetzt. Handke stellt sie sich durch die Bank müde vor. Sie ist eine Gesellschaft der Müden im Besonderen Sinne. Wäre die Pfingstgesellschaft ein Synomym für die künftige Gesellschaft, so könnte die kommende Gesellschaft auch Müdigkeitsgesellschaft heißen. 

Die Müdigkeit lässt also alle Masken fallen und wirkt als Antidot gegen Überforderungen wie Sei Du Selbst!; Verwirkliche Dich! oder, wie jüngst Han´s Kollege Sloterdijk (beide mit Lehrstuhl in Karlsruhe) seinen Bestseller betitelte: Du Musst Dein Leben Ändern! Diese gelungene Lobpreisung an den Geist der Askesis (“Üben!”) kontert Han mit dem Seinlassen aus, Melville´s Bartleby zitierend: “I prefer not to …”

Denn alle leistungsfordernden Imperative können ins Gegenteil umschlagen in einer Kultur der Selbstausbeutung und statt zu motivieren erzeugen sie, vielleicht noch im Verbund mit einem rigiden Über-Ich, dann Das Erschöpfte Selbst (Alain Ehrenberg). Mit dem Heidegger-kundigen Han aber sind wir In-Die-Jahre-Gekommenen gerettet und setzen fröhlich-wissend dagegen: „Pusteblume! Nicht Narzissten.“ Schöne neue Welt: müdes frohes Pfingsten.

2011 12 Jun

Kleine Türen

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Über die Spielräume des Unglücks wird gerne debattiert

Schon die Bibel tat es filmreif mit Hiob und Co.

Wer Erlösung erhofft, spielt mit dem Zufall

Sagen die Theoretiker, würfeln Zahlen mit bleichem Gewicht

Die Toten sind Legende, haben Nachspiele auf Orgeln

In Hollywood, in Totenbüchern, sind sie Geister in der Klemme

Die wahren Helden sind Orpheus auf der Spur

Ihre Gitarrenkästen zieren die Zugluft im Underground

Die Station heisst „Angel“,  und wussten Sie

Dass „Heart Of Gold“  schon Milliarden mal gesungen wurde

Und lauter kleine Türen sind dann aufgegangen

Hinter denen das Nichts war, aber das Nichts hatte Namen

„Sommer of Love“, „All Day Long“, „Baby Blue“

Und die Statistiker spielen die Zahlen des Nichts

Am schönsten sind die Töne, die keiner hört, über Gräbern

Ich war dort, 1977, ich war ein Niemand für die Toten, ich bin dann mal fort

 

Wenn man dieses Interview aufmerksam liest, findet man, denke ich, den einen und anderen Zugang zu der Welt dieses Solo-Piano-Albums, das Manfred Eicher produziert hat. Craig Taborn verbindet in seinem Spiel so viele Polaritäten: das Schroffe und das Zärtliche, das Maschinelle und das Organische. Sein Spiel ist ungeheuer reich, in den Details, in dem langen Atem einer Improvisation, in der Ausführung der Ideen, und doch von allem Zierat bereinigt: sowas entspringt aus dem Geist der Askese, da öffnen sich die wildesten Blüten! (thanks to Craig Taborn for doing this transatlantic interview!)
 
 
 
 Avenging Angel
 
 
 
Michael Engelbrecht: I´ve read that these pieces evolve from small motives or units of sound (you had or had not prepared) – is it true that you have a kind of small seed for a piece, or is there a bit more conceptionally going on before?

Craig Taborn: The improvisations can germinate from a variety of places. Sometimes it may be from some specific choice of motive or gesture but it also may be some extra-musical idea like an image or a verbal phrase or concept. I may arrive at these before the piece begins or I may simply settle on something after the music has already begun. But for the most part I try to remain true to the initial idea of a specific piece in some way once it is begun as long as it is rendering musically engaging things. But if it is not yielding good things I will abandon the idea without any remorse.

Michael: Paul Bley once told me that his playing with long silences and decays on the classic solo piano album “Open, To Love” came from his experimenting with early synthesizers. What is your fascination with these vey spacey moments and notes vanishing into air… especially on the piece “Diamond Turning Angel?

Craig: I did not know this about “Open, to Love”. I think that my awareness of and engagement with sound has a root in my early and continuing involvement with electronic music. I began working with synthesizers almost at the same time as I began learning piano and these two things have always influenced each other in my music. Primarily I think i have always started my music making from the sound and any other considerations exist within a larger conception of sound. For me even very minimal pieces like DIAMOND TURNING DREAM are actually quite full of activity and detail but that information exists within the sound itself. Only through paying close attention to the complex of sounds inside of each note can one enter that special world. The silences and space allow for this more careful exploration of the tones.

Michael: The title track   has a very special kind of groove: it is not a Jarrett-like „singing groove“ (he can do a lot out of a few notes if he´s not playing Body and Soul), it nearly has a kind of machine-like quality. This is  interesting, because as a listener I´m not hanging on to a dreamy trace-like repetitive figure, but to a very muscular hard-core groove.

Craig: Well for me the groove exists underneath all of the other things that make those kind of repetitive things work. It is something that emerges not really from the repetition (although this is a part of the tracing) but is about the placement and intention of each iteration of a repetitive figure. But I use repetitions in two different ways and both are in evidence in this album. One is to get a kind of machine-like stasis happening, where the repetition really implies non-development. And the other is a real „groove“ that grows around itself and has a feeling of motion and purpose. But the difference between these two things is all in the intention and not so much in the execution. It is about locking in and then deciding how much force or purpose with which to imbue each note, and then adding subtle variations if you are trying to work the groove. “Avenging Angel” has a definite sense of purpose to it in it’s groove, but there is also a bit of a more rigorous posture. I guess my interest in some electronic music as well as my long listening to metal and hardcore music have influences on my idea of where these kind of things can go and what they can evoke.

Michael: Manfred Eicher told me that, in his opinion, this seems to be a step forward in solo-piano-playing, going away from certain romantic cliches. Was it a part of your vision before the recording to be not trapped by certan old ways of „romanticism“? And how did you prevent something from being a too-sweet ballad, maybe looking at the beautiful „ballad“ “True Life Near”?

Craig: The music just comes out of how I am making and hearing sounds. I had no consideration at all for whether the music was sounding „romantic“ or not. I think ultimately everything extends from my engagement with the material. I am not not trying to „perform“ this music in any demonstrative way. There is not really an agenda in terms of either demonstrating certain technical concepts or abilities or to perform emotions at the piano. I am just trying to realize the music I am hearing as truthfully as possible and this precludes the idea of performing it with a point of view´or an emotional agenda.

Michael: Was the title „True Life Near“ an invention of the moment after listening to the song?

Craig: I am not actually sure where this title came from. I did not decide the titles at the time of recording and they are often the result of some kind of  obscure divinatory process. But I really don’t remember where specifically I arrive at the title.

Michael: Manfred Eicher listened to my night show some weeks ago, and he liked it ,  when I played „True Life is Near“ after a piece of Sylvian´s new album „Died In The Wool“…

Craig: Nice that you played that after some Sylvian – i have been a fan of his music for quite some time.

Michael: There are people who mention that one can hear – in your piano solo playing – an influence of Olivier Messiaen. I have a friend who is a big fan of the French composer. I know his bird call piano music, but, concerning those bird music tracks, his ideas are more interesting than the music. So can you shed a light on this reference in your new album?

Craig: I have listened to and freely draw influence from many musics and composers in improvising. Certainly Messiaen is an influencing composer for a variety of reasons. Primarily he is instructive in ways of creating a personal language of design and process. Because he so well documented his ideas it is easy to see how one can take inspiration from certain sources and concretize that inspiration into a musical syntax. And then there is the fact that many of his approaches are derived from and lend themselves to improvisations. Messiaen was part of the great French improvising organ tradition and this is a very advanced improvising tradition. So there are many things one can draw upon in Messiaen to fuel music making. However much of this influence has been a part of my own music making for so long it is often hard to disentangle that from all the other influences and from my own original ideas. So I am never actively seeking to mimic him or anyone else, but at the piano and in certain moments there are processes, specifically harmonic and melodic ones, that are certainly closely related to him.

Michael: When you play a piece like “This Voice Says So”: has there – again – been a small idea at the beginning, a compositional sketch, or what is the „story“ behind this piece?

Craig: “This Voice Says So”  is a completely improvised piece that very specifically uses a very small idea- just a few notes- and develops rather slavish around this material. The form of the piece is arrived at in real time. But every note in the piece relates very closely to the initial idea (i forget what the germ was specifically but one can hear it returning again and again). This is probably the most clear example of this kind of improvising on the album as it stays very close to the root material throughout the piece.

Michael: There are some „wild“, boppish pieces, with angular notes, wild cascades. Do you like this, from time to time, „attacking the notes“ and yet not losing control about key elements of a composition?

Craig: I have a fairly broad palate in terms of approaches and certainly there are many times that I go for more aggressive and „wooly“ things. And often keeping control of the compositional elements is not even a consideration.I like irrational and unhinged gestures as well in my playing. I think the AVENGING ANGEL album is in many ways an exploration of one process but it is by no means the only process i engage in in improvising. So some of the pieces betray some of my other musical interests as well.

Michael:  Coming to the sequence of the album: “The Broad Day King” really opens up the field; it seems to contain – in a nutshell – some of the stylistic elements of the whole album. And then, the piece “This Is How You Disappear”, the closing track has a perfect title for an ending piece. You do also have the impresssion that the sequencing of the tracks adds to the quality of the whole album?

Craig: Sequencing is always a major part of how music is ultimately perceived. I think in this day and age an album sequence is a strong suggestion for the narrative of an album. Because it is so easy for people to make their own sequences, it is not so much an issue to decide the absolute. But certainly it gives a strong impression of an identity to an album to sequence it with intelligence and intent. The AVENGING ANGEL sequence owes mostly to Manfred Eicher’s artistry. At the time of listening and deciding pieces and programming I was fairly well spent from having recorded the day before and I relied entirely on his sensibility in this regard.

Michael: Sometimes I´m surprised that some of it, the more abstract stuff, touches me emotionally, though I would – there – only expect my brain doing some exercises….

Craig: Thank you… The musical intention behind most of the events on the album are the same, to invite close listening and greater awareness. This is true of the more dense and energetic pieces as it is of the slower contemplative ones. For me the differences between them are merely of perceived density but it functions the same way. So while the slow pieces may more easily yield a space to hear sounds closely that awareness can be carried over to more dense context as well. By repeated listening I think one’s awareness of the sound world can grow to the point where it is possible to perceive these more dense pieces in the same way as one perceives the slow ones. Once this happens it is easier to connect oneself to that music as opposed to just hearing information pass. Extending this idea I have found that in our living environment seemingly dissonant and complex sound-fields (like in those found in an urban context) cease to be as annoying and actually can become quite interesting and pleasurable environments. The thing that has to change is one’s awareness of and ability to process the sound information. But in the end being able to tune in in this way ultimately can make everyday life a little more interesting and exciting. But it is also improtant to be able to tune in to the quiet spaces in the same way because they are actually often as full of activity. I guess just always „tuning in“ is the ultimate goal.

Thank you for listening!

Was unsern Jukeboxtruhenpfleger Gregory Pecks mit Rolf Zacher verbindet, ist die rasche Grundempörung. Man braucht nur eine seiner heiligen Kühe am Schwanz ziehen, schon schwillt ihm kurzfristig der Kamm; solche Aufwallung macht ihm gewiss auch Freude, und ist nie so tierisch ernst. Pecks ist ein großer Kenner der Musik von Olivier Messiaen, ein Säulenheiliger unter den Komponisten des 20. Jahrhunderts. Ich habe mich zu Tode gelangweilt mit seiner Klaviermusik, die von Vögelgzwitscher inspiriert ist. Manchmal sind Konzepte interessanter als ihre Umsetzung. Oder der hier so präsente Genanzino: ja, es gibt einen eigenen Tonfall in seinen Büchern: bei aller Magie, die einige Romänchen ausstrahlen (etwa die mit dem Regenschirm und dem Loch im Titel), wird der Autor mitunter das Opfer der Verklemmtheiten seiner Protagonisten: so ist ihm das Buch „Mittelmässiges Heimweh“ fürchterlich missraten, ein grausames Panoptikum lähmender Erstarrungen, denen jeder Charme abgeht. Da helfen dann Becketts frühe Romane:
Molloy und Co. – der Humor ist rabenschwarz,  der Existenzialismus hochvergnügliche Literatur! Und Lady Gaga, das Allerletzte. Aber jedes Feuilleton entwickelt spaltenlange Exkurse zu dieser „Kunstfigur“, statt die gesammelten Kischees ihrer Musik  auf einem ungepflegten, nicht mehr recycelbaren Müllhaufen zu entsorgen. A propos Müll: den deutschen Literaturabteilungen der Print-Medien ist auch nicht mehr zu trauen, seitdem sie Uwe Tellkamps „Der Turm“ kollektiv-trunken zu dem lang ersehnten Meisterwerk über die Wendezeit stilisierten – diese hölzerne Sprache, die Dünnbrett-Dramaturgie, diese radikale Ermüdungs-Literatur! Bewahren wir die Unruhe!


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