Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

2011 11 Jun

Die Grundempörung und das Bewahren der Unruhe

von: Michael Engelbrecht Filed under: Blog | TB | 7 Comments

Was unsern Jukeboxtruhenpfleger Gregory Pecks mit Rolf Zacher verbindet, ist die rasche Grundempörung. Man braucht nur eine seiner heiligen Kühe am Schwanz ziehen, schon schwillt ihm kurzfristig der Kamm; solche Aufwallung macht ihm gewiss auch Freude, und ist nie so tierisch ernst. Pecks ist ein großer Kenner der Musik von Olivier Messiaen, ein Säulenheiliger unter den Komponisten des 20. Jahrhunderts. Ich habe mich zu Tode gelangweilt mit seiner Klaviermusik, die von Vögelgzwitscher inspiriert ist. Manchmal sind Konzepte interessanter als ihre Umsetzung. Oder der hier so präsente Genanzino: ja, es gibt einen eigenen Tonfall in seinen Büchern: bei aller Magie, die einige Romänchen ausstrahlen (etwa die mit dem Regenschirm und dem Loch im Titel), wird der Autor mitunter das Opfer der Verklemmtheiten seiner Protagonisten: so ist ihm das Buch „Mittelmässiges Heimweh“ fürchterlich missraten, ein grausames Panoptikum lähmender Erstarrungen, denen jeder Charme abgeht. Da helfen dann Becketts frühe Romane:
Molloy und Co. – der Humor ist rabenschwarz,  der Existenzialismus hochvergnügliche Literatur! Und Lady Gaga, das Allerletzte. Aber jedes Feuilleton entwickelt spaltenlange Exkurse zu dieser „Kunstfigur“, statt die gesammelten Kischees ihrer Musik  auf einem ungepflegten, nicht mehr recycelbaren Müllhaufen zu entsorgen. A propos Müll: den deutschen Literaturabteilungen der Print-Medien ist auch nicht mehr zu trauen, seitdem sie Uwe Tellkamps „Der Turm“ kollektiv-trunken zu dem lang ersehnten Meisterwerk über die Wendezeit stilisierten – diese hölzerne Sprache, die Dünnbrett-Dramaturgie, diese radikale Ermüdungs-Literatur! Bewahren wir die Unruhe!

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7 Comments

  1. Jochen Siemer:

    Lady Gaga kenn ich gar nicht. Rolf Zacher: eine unterhaltsame Figur im Grenzbereich zur Peinlichkeit mit einer hysterisch-machohaften Extravaganz, die so manchem langweiligen Genazinobüchlein aus seiner permanent herrschenden Windstille verhülfe und ein Kontrapart wäre zu all den leisetretenden, vor sich hinproustenden Spaziergängern, woll? Was mich von Gregory Pecks, so scheints, fundamental unterscheidet: ich bin selten meiner eigenen Meinung. Streiten hingegen tu ich mich gerne und ich habe auch eine heilige Kuh, mit der es sich prächtig provozieren lässt:
    es ist die aus Weimar stammende, in der Schwiz ansässige Sibylle Berg, eine Meisterin der provokanten Schwarzmalerei. Die im Verbund mit Zacher, das wär der Overkill; der Supergau, oder? Was ich an der bergschen Schreibe so erholsam finde: das sich jemand das Recht rausnimmt, das Leben und seine Artgenossen zuweilen unerträglich zu finden – und diesen Ekel minutiös beschreibt.

  2. Michael Engelbrecht:

    Lady Gaga kennst du nicht? Grossartig – ein echter Manafonista! Belass es dabei!

  3. Michael Engelbrecht:

    Sibylle Berg könnte eine Manafonista sein! ich hab enoch nie eine zeile von ihr gelesen, aber ihre Interviews fand ich immer klasse!

  4. Jochen Siemer:

    Hatte schon desöfteren den Gedanken: „Wenn Sibylle Berg hier mitschreiben würde, das wäre großartig.“ Hier mal ihre ausgesprochen witzige Homepage:
    http://www.sibylleberg.ch

    Musste mir übrigens mühsam antrainieren, den Namen richtig zu schreiben.
    Schrieb immer Sybille.

  5. Michael Engelbrecht:

    Dann schreib doch „Sybille“ mal: die kennt sich auch mit George Bataille und dem französischen Surrealismus aus – der hier gut reinpasst!

  6. Jochen Siemer:

    Werd´ ich tun …
    Frage mich seit längerem schon, was mich an Genazino stört. Jetzt ist es sonnenklar:
    es fehlt das bataille´sche Element einer abgründigen (dekadenten) Unruhe.

  7. Michael Engelbrecht:

    Ich möchte, dass folgende Leute aktive Manafonistas werden: Thomas Weber (Kammerflimmer Kollektief), Erik Honore, Sibylle Berg, Rick Holland, Poschlost – Lester Maul ist etwas maulfaul geworden:) – let´s wait and do:)


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