Bestimmte Musik nicht sonderlich zu mögen, ja, flugs reißaus zu nehmen, wenn sie sich bemerkbar macht, hat mitunter einfach mit Sympathie/Antipathie zu tun, und kaum mit ästhetischen Urteilen. Bei allem Respekt für indianische Kultur, kann ich mit Indianergesängen nichts anfangen, genauso wenig wie mit Salsa (kein Salsa im Blut), 90 % Tangomusik, den Fleet Foxes, der neuen Paul Simon-CD, 80 % der Pat Metheny-Platten (zwei Ausnahmen: As Wichita Falls, So Falls Wichita Falls, Watercolors), 100 % aller Chick Corea-Platten der letzten 20 Jahre (und das liegt nicht daran, dass Corea, schlimm genug, wenn man sich von diesen Rattenfängern umgarnen lässt, Scientologe ist). Regelrecht schlecht wird mir (egal, wie freiheitsliebend die Botschaften sind) bei Lady Gaga, der neuen CD von Nguyen Le („Songs Of Freedom“ sollte besser den Titel tragen: „How to Kill Famous Pop Songs with a World Music attitude and pseuso-sacred voices“) und fast allen jüngeren Platten von Herbert Grönemeyer („Mensch“ fand ich besonders schlimm, die jüngste ist ein schlechter Witz!). Die Liste könnte endlos weiter gehen, und ich stelle nun doch fest, dass mir bei etlichen dieser Klänge sofort ein ganzer Stapel guter Argumente für meinen Verdruss einfällt (nicht ausformulierte ästhetische Urteile), während bei andern mir einfach jeder mögliche Code fällt, sie in einen für mich vitalen, bedeutsamen Stoff zu verwandeln (es wäre schon genug, wenn die Musik mir in die Beine ging, sie muss nicht gleich zu Kopf steigen). Während mich also Salsa weiterhin aus unbeschreiblichen Gründen kalt lässt, weiss ich genau, warum ich die Fleet Foxes nicht mag. Ohne daß ich genau weiß, warum, lassen mich Indianergesänge, Mozart und chinesische Opern für alle Zeiten kalt, und dann wieder weiß ich, auf der anderen Seite, ziemlich genau, daß ich gerne gut bezahlte Verrisse schreiben würde zu Oasis, allen Rolling Stones-Platten der letzten 25 Jahre – und zu U2 (auch wenn Eno und Lanois sie produzieren). Es ist also nur ehrlich, zu schreiben, daß mich etwa ein kleiner verhuschter a-capella-Song der drei Frauen von „Mountain Man“ (heute Nacht im Programm!) weitaus mehr berührt als Mozarts „Zauberflöte“ in Gänze. Wer hier nun sagt, ich sei wohl nicht ganz dicht, mit dem Klammerbeutel gepudert oder ein Dummkopf, ist womöglich selber einer. Wenig ist nämlich so töricht, den generellen Lehrmeinungen zu folgen (dem gelehrten guten Geschmack) – statt den eigenen Ohren! Das ist der Clou, wenn man eigenen Pfaden folgt: man landet auf herrlichen Abwegen und erlebt die aufregendsten Abenteuer, während andere brav vom Blatt abspielen, und sich graues Wissen aneignen.
Archives: Mai 2011
2011 22 Mai
Alles, was ich nicht mag
Michael Engelbrecht | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | 5 Comments
2011 20 Mai
Cherokee Louise
Jochen Siemer | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Tags: Mitchell, Songs&Lyrics | 2 Comments
Der Song von Joni Mitchell aus dem Album NIGHT RIDE HOME hat mir schon damals, als das Album erschien, besonders gefallen und ich habe ihn vor kurzem „wiederentdeckt“. Erzählt wird die Geschichte eines Mädchens, das sich unter Brücken versteckt und dann von aller Welt gesucht wird …
cherokee louise is hiding in this tunnel
in the broadway bridge
we’re crawling on our knees
we’ve got flashlights and batteries
we’ve got cold cuts from the fridge
Der Song ist fast schon ein Stück Prosa und das war ja eine der Stärken von Joni Mitchells Art des Songwriting (the art of how to tell stories), Geschichten in den Flow der Akkord- folgen einzuweben. Akkordfolgen, die lässig, ruhig und regelmässig dahinfliessen wie der Fluß, an dem man Nachts (night ride) oder Tagsüber (daylight) dahinspaziert, um in seinem Kopf selbst das Strömen eigener Geschichten zu verfolgen.
last year about this time
we used to climb up in the branches
just to sway there in some breeze
now the cops on the street
they want cherokee louise
Aber was ist denn los mit der kleinen Cherokee Louise, warum wird sie denn gesucht, versteckt sich – und spielt nicht mit den anderen Kindern?
people like to talk
tongues are waggin’ over fences
waggin’ over phones
all their doors are locked
god she can’t even come to our house
but i know where she’ll go
Ist sie denn gefährlich – oder den Nachbarn nur peinlich? Eine Geschichte, so recht aus dem Stoff ist, woraus Jodie Foster Filme macht …
to the place where you can stand
and press your hands like it was bubblebath
in dust piled high as me
down under the street
my friend
poor cherokee louise
Wir kommen der Sache schon näher (“Näher, näher …” sprach Psychopath Lecter zu Agent Starling, um das Schweigen der Lämmer zu enträtseln):
tuesday after school
we put our pennies on the rails
and when the train went by
we were jumpin’ round like fools
goin’ “look no heads or tails”
goin’ “look my lucky prize”
she runs home to her foster dad
he opens up a zipper
and he yanks her to her knees
oh please be there please
my friend
poor cherokee louise
… ach, das also ist passiert. Ein Trauma.
125 Spheres crashed down on the parkett floor …
cherokee louise is hiding in this tunnel
in the broadway bridge
we’re crawling on our knees
we’ve got archie and silver screen
i know where she is
the place where you can stand
and press your hand like it was bubblebath
in dust piled high as me
down under the street
my friend
poor cherokee louise
Ein Song ohne Patina, wie das Gemälde eines Meisters im Prado.
Mit Mitgefühl, schöner Melodie, fantastischem Feeling, genialen Akkordfolgen.
Cause a painter is a painter is a painter – and that´s it. Thanks, Joni.
2011 20 Mai
Ein Gespräch mit Simone White (2009)
Michael Engelbrecht | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Tags: Americana, Folk, Simone White | Comments off
Heute hörte ich nach längerer Zeit wieder Simone White. „Yakiimo“ ist ein federleichtes Liederalbum, und doch seltsam geerdet. „These are songs rich in yearning, despair and very American symbolism. It’s a deceptive listen; you want it to be gorgeous, but Simone constantly trips you up with flashes of real darkness.“ Gut gesagt, New Musical Express! Hier mein Gespräch aus dem Jahr 2009. Eine Einladung, eine besondere Sängerin kennen zu lernen.
Es gibt einen Song auf Ihrem Album „Yakiimo“, da dachte ich, oh, Sie mögen die Bücher von Carson McCullers aber sehr …
O ja, vor ein paar Jahren las ich ihren Roman „Der Herz ist ein einsamer Jäger“ und verliebte mich in ihre Schriftstellerei. Wie sie es schaffte, in das Herz ihrer Charaktere vorzudringen und deren ganz eigene Einsamkeiten. Und unter diesem Einfluss begann ich mit einem Lied; es war ein trauriges Lied, über das Gefangensein in eigenen Gefühlen, wirklich ziemlich traurig. Aber dann las ich im letzten August ein Buch mit ihren Essays, und da schrieb sie über die Allmacht, die man als Schriftsteller hat, wenn man Charaktere erfindet und über ihr Schicksal verfügt. Und da dachte ich, das mache ich ja auch mit meinen Liedern, und eigentlich wünsche ich ja meinen Figuren mehr Glück, nur bin ich nicht gerade eine Spezialistin für frohe Lieder, aber dieses Lied änderte ich, und es blühte auf und wurde zu „Baby Lie Down With Me“.
In einem anderen Song schlüpfen sie in die Kindheit einer bekannten Folk-Sängerin…
Victoria Williams traf ich auf einer Tour, wir schlossen schnell Freundschaft, sie lebt nicht weit von mir entfernt in der Wüste, sie erzählte mir von ihrer Kindheit und dem amerikanischen Süden, sie wuchs in Louisiana auf. Jedes Jahr zog in ihrer kleinen Stadt der „Nebelmann“ durch die Strassen, und die Kinder fuhren mit ihren Fahrrädern hinter seinem Lastwagen her, der dicke Qualmwolken ausstiess. Die Kinder wussten nicht, dass der Mann mit Insektengift unterwegs, um Moskitos zu töten. Eines Tages sagte ihre Mutter: Ach, Victoria Ann, fahr nicht mehr hinter dem „Nebelmann“ her, und mit diesem Satz begann die Idee des Songs „Victoria Ann“. Ich stellte mir vor, wie es gewesen wäre, wenn wir beide dort zusammen aufgewachsen wären – und als ich ihr das Stück später vorstellte, war sie verblüfft, weil ich einige Dinge genau getroffen hatte. „Habe ich dir das erzählt, daran kann ich mich gar nicht erinnern!“ Es war fast so, als hätte ich da etwas „gechannelt“, aus anderen Sphären geholt….
Auf dem Cover Ihrer neuen CD sehen Sie aus wie eine Frau, die aus den 30er oder 40er Jahren kommen könnte. Nur die Tätowierung lässt an unsere Zeit denken. Ist das Foto eine Art Hinweis auf Ihre Liebe für ein altes vergangenes Amerika?
Absolut. Ich war immer ein Fan früherer Zeiten! Sowohl was die Musik betrifft und den Lebensstil, die einfachen Dinge des Alltags. Dieses Foto sieht wirklich sehr altmodisch aus. Wir machten das Bild mit einer alten Kamera, in einem Bahnhof in Los Angeles, einem wunderbaren Art-Deco-Gebäude!
Schon beim ersten Hören war ich erstaunt von dem ganz feinen Sound der Aufnahme. Erst später las ich, dass das Album produziert wurde von Mark Nevers, der ja schon mit Lambchop, Candi Staton und andern gearbeitet hat. Was war nun sein Beitrag bzw. was war Ihre Vorstellung von dem Sound, den dieses Werk haben sollte?
Mark Nevers und ich haben ja schon auf „I am The Man“ zusammengearbeitet. Es gab jetzt keinen besonderen Plan, die Produktion verlief sehr organisch. Zuerst sandte ich ihm einige Demos – dann schlug er einige Musiker vor. Es war klar, dass wir keine Blasinstrumente verwenden wollten; die Songs verlangten nicht nach einem grossen Sound. Und es war wohl ein glücklicher Zufall, dass der eingeplante Gitarrist nicht verfügbar war. Mark schlug als Ersatz einen Fiedelspieler vor, und der Klang dieser Fiedel entwickelte sich zu einem besonderen Motiv des gesamten Albums. Beim letzten Album kam ich nach Nashville, spielte den Musikern meine Songs vor, und fünf Minuten später haben wir die Lieder aufgezeichnet. Dieses Mal wollte ich mir mehr Zeit lassen, um unter die Haut der Lieder zu gelangen. Und so haben wir zwei Tage geprobt, bevor wir uns an die Aufnahme machten.
Obwohl die Musik tief in amerikanischen Traditionen verwurzelt ist, trägt das Werk einen japanische Titel – Yakiimo…
„Yakiimo“ ist der Name des Titelstücks und ist der Ausdruck für „steingeröstete süsse Bergkartoffeln“. Vor über einem Jahr war ich in Japan und hörte, spät abends, einen spukigen Sound, er stammte, erfuhr ich später, von den Männern, die diese Kartoffeln verkauften, es klang wie ein schauriges Lied, fast wie ein Aufruf zum Gebet. Als ich wieder in Los Angeles war, schrieb ich, diesen einfachen Song. Es ist kein Fantasielied- die Atmosphäre des Stückes steht wohl für den Grundton des Albums, dieses Fernweh nach einer anderen Zeit, dieses nostalgische Empfinden verlorener Unschuld und vergangener Jugend. Ich spielte den Song meinen japanischen Freunden in L.A. vor – und sie hatten ganz ähnliche Empfindungen bzgl. dieser „Yakiimo-Männer“. Und das freute mich. Ich war also nicht bloss die Ausländerin, die etwas Besonderes auf etwas vermeintlich Lächerliches projizierte!
Sie sind ja in einer musikalischen Familie aufgewachsen. Hatten sie damals ein musikalisches Schlüsselerlebnis, das ihr Leben sozusagen über Nacht veränderte und Ihnen klarmachte: das wird mein Ding werden; gab es da etwas ausserhalb der Familientradition?
Das ist interessant. Viele aus meiner Familie machten Musik auf einer professionellen Ebene, aber alles in der Zeit vor meiner Geburt. Meine Mutter sang daheim ständig alte Folksongs. Aber auf dem Plattenspieler, das war so eine Regel, lief nur nur Klassische Musik. Mit einer Ausnahme: aus unerfindlichen Gründen gab es daheim auch Joni Mitchells Schallplatte „Blue“. Das hörte ich wieder und wieder: ein vollkommenes Werk! Dann entdeckte ich die Beatles, die mich sehr berührten; das war in der Zeit nach John Lennons Tod. Ich hatte keine Vorstellung, wer er war und kaufte mir Kassetten. Das hat mich wirklich geöffnet … In späteren Jahren wurde ich in meinem Gitarrenspiel sehr nachhaltig beeinflusst von dem Folkgitarristen Bert Jansch. Zuvor hatte ich immer kräftig die Gitarrensaiten geschlagen … ich kannte das nur so … alle machten das … ich hasste das … aber bei Bert Jansch und seinem „fingerpicking“ bekam ich mit, welche Besonderheiten diese Spielweise ermöglichte. Das war ein Durchbruch.
Heute leben Sie in Los Angeles, aber die ersten vier Jahre Ihres Lebens haben Sie auf Hawaii verbracht. Haben Sie Erinnerungen an diese Jahre?
Ich habe sehr viele Erinnerungen. In meiner ersten war ich ein Baby, ich lag auf meinem Rücken, ich konnte mich noch nicht gross bewegen, ich schaute zum Fenster, und da war dieses Riesentier. Später wurde mir klar, dass das ein Gecko war. Das Tier kletterte am Fenster entlang. Da vermischte sich wohl etwas mit den Spuren der DNS, die viele Generationen zurückreichen: auf jeden Fall war das Tier für mich ein Ur-Tier, ein riesiger Dinosaurier. Ansonsten erinnere mich bestens an den Ozean, den Klang des Meeres: wie lebten direkt am Strand, die milde Luft, das Wasser. Ich denke diese Jahre sind fundamental und ich fühle mich nirgendwo besser als an einem solchen Ort wie Hawaii; dieses Gefühl von Frieden ist unvergleichlich.
P.S. 2011: Gestern mailte mir Simone White, dass ihr neues Album (das elektronischer sei als die Vorgänger) so gut wie fertig sei und wahrscheinlich noch in diesem Jahr veröffentlicht werde. Sie schickte mir noch den link zu einem mit ihr zusammen gecoverten Song von Sufjan Stevens (s.u.). https://pitchfork.com/news/42519-listen-fol-chen-cover-sufjan-stevens-i-walked/
2011 19 Mai
Das Cover der neuen CD von Bon Iver
Michael Engelbrecht | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Tags: Americana, Folk | 1 Comment
Entrückungen spielen eine besondere Rolle in der Musik von Bon Iver. Das Abgelegene ist ein Thema. Die letzte Platte, die Justin Vernon bekannt machte, liefert gleich ihren eigenen Mythos mit: zurückgezogen wie einst Henry David Thoreau, verbrachte der Mann, der sich „Guter Winter“ nennt, lange Zeit in einer Blockhütte, krank und trauernd. Da entstanden die Lieder. Diese Platte wurde von Kritik und Publikum gleichermassen verehrt, ich konnte mich da nicht anschliessen. Auch auf der Mitte Juni erscheinenden neuen Arbeit (s. Cover) wird ein Rückzug angetreten – diesmal in die alte Heimat. Dort scheint meistens Winter zu sein. Und diese neue CD beeindruckt mich sehr.
Hier der Text des ersten Songs – wenn hier keine Druckfehler im Spiel sind, dann zumindest ziemlich ausgefuchste Wortspiele…
Perth
Iʼm tearing up, acrost your face
move dust through the light
to fide your name
it’s something fane
this is not a place
not yet awake, I’m raised of make
still alive who you love
still alive who you love
still alive who you love
in a mother, out a moth
furling forests for the soft
gotta know been lead aloft
so I’m ridding all your stories
what I know, what it is, is pouring – wire it up!
you’re breaking your ground
2011 18 Mai
Brian Eno: Drums Between The Bells (english version)
Michael Engelbrecht | Filed under: Blog,Gute Musik,Musik aus 2011 | RSS 2.0 | TB | Tags: Eno | 3 Comments
From early on, Brian Eno has been quite sceptical about words, their meanings, their ability to distract our attention from sound. So, although having written outstanding, witty, surreal lyrics for his brilliant four song albums in the seventies (“Here Come The Warm Jets”, “Taking Tiger Mountain (By Strategy)”, “Another Green World” (this perfect mélange of songs and purely atmospheric pieces) and “Before and After Science”), he had never added the lyrics.
Now I think, with the release of his collaboration with lyricist Rick Holland, every poem will be printed. An interesting problem for the master of Ambient Music: poems consist of a highly condensed language, everything within a poem requires careful attention, every syllable, every space between lines, every flow of pictures, every breath words take. Eno´s trick: everything becomes sound, the words, the silences; the listener decides for himself where to move, foreground, background, wordwise, soundwise. The music offers a broad spectrum: die-hard funk, trash jazz, exotica a la Eno, post-Kraut-electronics and drifting-sphere-music. Inspired stuff.
Poems and music – a special affair! “Drums Between The Bells” will speak, with an open heart, to the small, big Eno community, and to people who are curious about a still quite living thing called modern poetry. Remembering the Eno-Byrne masterpiece “My Life In The Bush Of Ghosts” (1980) with the cut-and sample approach to speaking and singing voices (mad priests, singers from the Lebanon etc), the new record leads from the “bush of ghosts” to a “theatre of voices”. Nine voices (most of them women) give life to words, sometimes these voices (including the ones of Brian and Rick) are pure realism, sometimes they are morphed and treated.
It´s never a gimmick, it always serves the words: in the brilliant slow motion piece, “the real”, a female voice speaks about our ability to see or see not “the real in things”, full of repetitions and small changes. A sophisticated way of mixing hypnotic induction with perception theory: solid earth suddenly feels like murky water. The last lines one can (depending on your state of mind) clearly indentify tell us: “while real runs out and seems to see the real as it runs” – then the voice turns from a soft speaker to a strange species. Seductive.
What do you think, Brian Eno loves about Rick Holland´s poems? I read his little book “Story the Flowers” and found an interesting mix of careful attention to everyday life, philosophy, humour and science. Small towns, big towns, coastal areas are portrayed in a deeply sensual way (I´m happy to leave out the word “spiritual” here). There is always an enigma that won´t be solved too soon. Something that hangs in the air. The music propels, waits, suggests, breathes, swirls, stops, penetrates. And it does a lot more.
Sometimes the words approach the singing area, but it takes a while till we discover an oldfashioned thing called song: near the end, Eno starts singing, and, you know, so many people – nevertheless how much they love his ambient works – have just waited too long for new songs of Mr. Eno (“Wrong Way Up”, 1990, “Just Another Day On Earth”, 2005). How many of us died on the way? Now one can take a deep breath, when listening to the brilliance of ”cloud 4” – but, what´s that: a song that could last forever stops after one minute and fourtythree seconds?! We call this English humour. And remember that old saying: brevity is the essence of wit.
And then? Then comes nothing (of course a very Cagean and uplifting nothing, by the way, 56 seconds long) – and then comes the last song, nearly as a shock: Eno delivers “Breath of Crows” with a deepness in his voice you have rarely ever heared. Robert Wyatt will send kisses! Eno sings with a vulnerability, a slowness, an intensity that is not so far away from the last Scott Walker albums. In “Story the Flowers” this piece is called “Seven Bungalow Neighborhood, Tree level, Mumbai”:
“My god is in the breath of crows,
It grows and shrinks with the elemental wish;
A fire with no link to the wish of man,
But it must be absolute, this god,
For when the mind is absolutely still,
It moves.
My god is in the breath of crows.
May I not delude a self image to think
He grows to grant my wish or wash my sin
But let me watch in wonder as he makes his work
Wonder in this.
The sounds of holy night abound
Kestrel calls and bells;
Drink the air, and the race for meaning quells.
Let it in. Let it in or the calls will sound like hollow tin
Or gramophone circling its background dust,
It must, replaced by must, by scent and sense;
A shell peeled pupil to reveal a deeper black,
Shelled like fresh new peas, each orb of wonder.
Wonder this.“
Don´t expect some final words about the album. Or do so. You will be surprised, I think, in more than one way! Simple as that.
P.S. I will be playing three tracks from Drums Between The Bells ( a title / sounds alien / dow) on the Klanghorizonte programm (live stream:wwwdradio.de). This will be broadcasted on Deutschlandfunk-Nachtradio in Germany, on 6th June, at 1.05 Uhr to 2.00 Uhr Germanically speaking. Which is very early in the morning. Indeed, some people might regard it as late on Sunday night, unless they are located in other parts of the world when it might count as early evening, or failing that, breakfast time
2011 18 Mai
Brian Eno: Drums Between The Bells (first review worldwide)
Michael Engelbrecht | Filed under: Blog,Musik aus 2011 | RSS 2.0 | TB | Tags: Eno | 2 Comments
a slightly different, english version of this review: click here
Brian Eno pflegte von früh an ein zwiespältiges Verhältnis zu Wörtern, ihren Bedeutungen, ihrer Fähigkeit, die Aufmerksamkeit vom Klang abzuziehen. Schwierig war es, in den Siebziger Jahren, an die Texte seiner Songs heranzukommen. Ich schickte damals einen Brief an Polydor Records, als ich Brian Eno für mich entdeckte (und ich entdeckte ihn
nicht durch die ersten zwei Roxy Music-Alben, sondern durch TAKING TIGER MOUNTAIN (BY STRATEGY)) – eine Assistentin antworte mit einem Brief, demzufolge sie lange suchen musste, und lauter blässlichen Fotokopien der surrealen Lyrics.
Jetzt erscheint, am 24. Juni, sein neues Album, und ich gehe davon aus, dass diesmal
die Gedichte von Rick Holland beiliegend abgedruckt werden. Hier stellt sich nun dem Meister der Ambient Music ein interessantes Problem: Gedichte als hochgradig verdichtete Sprache ziehen einfach die Aufmerksamkeit auf sich, jede Silbe, jeder Zwischenton.
Jede Atempause. Enos Trick: die Atempausen werden zu Musik. Und er lockt in ein
weites Feld zwischen beinhartem Funk, Trash Jazz, Postkrautelektronik und „Drifting
Sphere Music“.
Lyrik & Musik ist eine spezielle Angelegenheit, keine Marktlücke öffnet sich da, kein Bestsellerposten räumt das Feld! Dieses Album spricht weitgehend die kleine, große
Brian Eno-Gemeinde an, und sie wird nicht enttäuscht sein in diesem „Theater der Stimmen“. Manchmal nähert sich die gesprochene Sprache der Grenze zum Gesang,
meist bleibt es eine „spoken word performance“. Mit dezent eingestreuten Ohrwurm-melodien rings herum. Neun Stimmen interpretieren die Gedichte, und Brian Enos
Organ reiht sich ein in diese Schar.
Was mag Brian Eno gereizt haben an den Gedichten von Rick Holland? Ich nahm mir
sein Bändchen „STORY THE FLOWERS“ zur Hand und stiess auf feine Mischungen aus Alltagsbeobachtungen, Philosophie, Humor, plötzlichen Perspektivwechseln und meditativen Umkreisungen. Den Texten bleibt stets ein Rätsel erhalten, die Musik von „Drums Between The Bells“ untermalt nicht, sie bestreitet, verwandelt, treibt an, setzt durch, fordert, skizziert, schwingt aus. Und noch einiges mehr.
Der Clou: am Ende singt Eno (und alle, die seit dem Ausklang der Siebziger Jahre,
nach HERE COME THE WARM JETS, TAKING TIGER MOUNTAIN (BY STRATEGY), ANOTHER GREEN WORLD und BEFORE AND AFTER SCIENCE, immer viel zu lange warten mussten auf neue Song-haltige Alben des Herrn Eno, sind kurzfristig versöhnt, mit dem melodieseligen Vortrag von „Cloud 4“. Wolken haben es leider an sich, mitunter rasch zu verschwinden, und es ist fast schon englischer Humor, dass dieser tolle Song deutlich unter der 2-Minuten-Grenze bleibt, fast zum Fragment wird. Alles scheint vorbei zu sein, die Stille erhält noch ein paar Stromstöße, und dann (man schüttelt noch immer den Kopf ob dieses einen Traumliedes, dem man am liebsten hinterher springen möchte) – und dann?
Und dann?? Dann gibt es doch noch einen Song, kaum glaubliche, gute sechs Minuten lang („Breath of Crows“); den Gesang zelebriert Eno mit einer noch nie so gehörten, tiefen Stimme, mit einer Verwundbarkeit, einer Langsamkeit, einer Intensität, die nicht so weit vom Spätwerk eines Scott Walker entfernt ist. Das große Erschauern, der Showdown am Ende eines sehr guten Brian Eno-Albums. Hier der Wortlaut (in „Story the Flowers“ heisst der Song „Seven Bungalows Neighourhood, Tree level, Mumbai“ – und wie Rick Holland mir mailte, sind bei der Produktion nur kleine Veränderungen am Text vorgenommen worden):
My god is in the breath of crows,
It grows and shrinks with the elemental wish;
A fire with no link to the wish of man,
But it must be absolute, this god,
For when the mind is absolutely still,
It moves.
My god is in the breath of crows.
May I not delude a self image to think
He grows to grant my wish or wash my sin
But let me watch in wonder as he makes his work
Wonder in this.
The sounds of holy night abound
Kestrel calls and bells;
Drink the air, and the race for meaning quells.
Let it in. Let it in or the calls will sound like hollow tin
Or grammophone circling its background dust,
It must, replaced by must, by scent and sense;
A shell peeled pupil to reveal a deeper black,
Shelled like fresh new peas, each orb of wonder.
Wonder this.
Vintage Eno, dürfte ein Engländer mit Recht sagen. Für jedes Gedicht entsteht ein ganz anders gearteter Track, es gibt kein Formular, keine Strophenmuster, keine Gebrauchsanweisungen. Das ist bestimmt etwas, das Eno im Umgang mit diesen Gedichten gereizt hat. Immer wieder bei Punkt Null beginnen. Jeder Masche aus dem Weg gehen. Das Resultat: wir begegnen der scharfen Klinge – und dem fliessenden Pastell. DRUMS BETWEEN THE BELLS ist der provokante Gegenentwurf für hochtrabende Kunst – das Album zelebriert pure Sinnlichkeit.
The following music of the last few years tangled and unravelled my mind (loved it
with my „Head And Heart“):
OCTOBER ROAD by James Taylor; TWO AGAINST NATURE by Steely Dan;
SNOW BORNE SORROW by Nine Horses (and then there were three); BLEMISH from David Sylvian; TILL WE HAVE FACES by Gary Thomas (ts,fl) with Pat Metheny (g) and Terri Lyne Carrington (dr); several stuff by and with Uri Caine, Bedrock for example; the records of polish trumpet player Tomasz Stanko; the stirring and moving music of the brazilian singer, songwriter and percussionist Carlinhos Brown. But above all
Joao Bosco´s lifework and masterpiece OBRIGADO GENTE!
In recent years (since MANAFON) it was MANAFON; the music of Joanna Newsom;
with reserve some stuff of Dhafer Youssef; much in the horizon of Samadhisound
(Arve Hendriksen, Jan Bang …); for personal reasons JASMINE from Jarrett/Haden;
music and persona of outstanding guitarist Ben Monder; the idiosyncratic songs of CocoRosie; my very late discovery of guitarist Kurt Rosenwinkel (DEEP SONG);
again the music of Tomasz Stanko; … these were about the things, that impressed me
the most. But, shure: a lot is missing.
And me, „I´m smarter than that“ („Big Time“ in these days is never „Gig Time“) …
As a more song&design- than albumoriented man, i know about the huge sky of brilliant tunes, with their brilliant melodies; harmonies (ebony and ivory); rhythms and stories
to tell. And i like it to (dis-)cover them.
„And where are the stars? Didn´t she promise us stars?“, once David Sylvian asked.
Well, there are billions. But be careful! Cause it´s also true, what Courtney Tidwell sang:
„Don´t Let The Stars Keep Us Tangled Up“ – in 21th century dreamings.
2011 16 Mai
Crystal Muddy Waters
Dirk Haberkorn | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Tags: Vijay Iyer | 1 Comment
Nein, das ist nicht die neue Definition des Thriller-Genres.
Oder der Name eines „Schauer“-Romans.
Es ist meine stärkste Assoziation, die mich beim Hören der Band Steamhammer befiel.
Das war vergangenes Wochenende.
Hoochie Coochie Jazz! Ein Amalgam aus New Orleans, Chicago, New York und Seattle.
Zwei Generationen Blues (Muddy Waters, Jimi Hendrix) treffen auf diverse Folk- und Jazz-Traditionen. Insgesamt eine sehr inspirierte und inspirierende Angelegenheit! Es klingt so, als würde man durch das Häufchen Blues den gläsernen Menschen erblicken.
Ganz ähnlich, mit Momenten der Transzendenz ausgestattet,
und ohne das übliche Tablabla:
das Projekt Tirtha des Pianisten VI. – Das überzeugt mich!
Mehr Trio-Flow als One-Man-Show.
Tirtha ist nicht nur was für den Jazz-Boss. Auch der gemeine Rezipient nimmt die Ton-Salven dankbar auf!
Das Gitarrenspiel von Prasanna ist superb!
2011 16 Mai
Ein Mann namens Gregory Pecks
Michael Engelbrecht | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Tags: Thriller | 2 Comments
So nenne ich ihn manchmal am Telefon, und weit weg ist das nicht von seinem Original-namen. Ob er mal ein Manafonista wird, weiß ich nicht, ein Cronnopium ist er schon lange, und wer Zweifel hat, möge Julio Cortazar aus der Bibliothek holen und seinen Geschichten-band „Von Cronopien und Famen“ lesen. Gregory hatte schon mal – ist etliche Jahre her – den anonymitätsbesessenen Schriftsteller Thomas Pynchon nach Stuttgart eingeladen; das lokale Feuilleton war ausser Rand und Band. Er verfügt über eine atmeraubende Sammlung an alten Radios (die mit dem grünen Auge sind auch dabei!) und eine Jukebox, deren Anblick allein schon eine Zeitreise in Gang setzt. Einmal sassen wir spät abends beieinander, Gregory öffnete den Weinschrank, und wir legten die neueste Scheibe von Sunnnoo auf (mit der Anzahl der a´s und o´s komme ich immer noch durcheinander).Ein Fest für die Ohren, diese Mixtur aus Drones, wirklich spannendem Metalzeugs, und Free Jazz. Ein Gewitter zog über´s Haus weg, und schlug einem die Blitze nur so um die Ohren: es klang, als wäre das Wetter Teil der Musik.
Schwieriger wird es, wenn man mit ihm über Thriller redet; er nennt die Dinger immer Krimis, und spricht das so aus, als würde gleich Bill Ramsey hinterm Ofenrohr hervor kommen und „Ohne Krimi geht die Mimmi nie ins Bett“ singen (schön heiser, schön stimmungsvoll, und der Fernseher springt an, und Klaus Kinski besorgt den Rest!). Da erinnere ich mich an lange Dikussionen: über den „literarischen Kriminalroman“, über den Thriller als experi-mentelle Form zeitgenössischen Erzählens, über all die Geschöpfe, die mit dem Bade ausgeschüttet werden. Es war ein großer Erfolg, ihn über die Jahre dazu zu bewegen, einige Thriller zu lesen (von Harlan Coben, Dick Francis und Don Winslow zum Beispiel). Trefflich streiten wir uns darüber, ob „Die dunkle Seite des Mondes“ totaler Mist ist(sagt er), oder einer der besten Romane von Martin Suter (sage ich). Eigentlich bin ich viel störrischer: „seinen“ Peter Handke will ich nicht haben… Nur eins musste ich ihm versprechen: daß ich eines Tages den Roman „Schweigen über Madrid“ lesen werde – ich werde es tun, lieber Gregory. Someday, over the rainbow…. gerne aber auch beginne ich (und das ist ein Lockangebot) geradezu umgehend mit diesen gewiss trübsinnigen Roman voller toter Laborratten, wenn Gregory Pecks hier,als special guest, in aller Ausführlichkeit erzählt, was passierte, als ich ihm Robert Wyatts letztes Album in die Ferien nach Südfrankreich nachschickte. Das ist noch besser als die Story mit Thomas Pynchon!
2011 15 Mai
Big Time in Dortmund
Michael Engelbrecht | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Tags: BVB | 4 Comments
Es geht früh los am Borsigplatz. Hier werden zwischendurch schon mal, gern auch
mit Altmeister Aki Schmidt am Akkordeon, unglaubliche Schmonzetten vorgetragen:
„Rubbel die Katz, rubbel die Katz, am Borsigplatz!“
Bevor der Meistercorso eintrifft, erlebe ich in der Sportsbar, die Ramones im CBGB,
im Jahre 1974 (kein Scherz, da läuft auf einmal Punkhistorie auf ZDF Kultur).
Jahre später begannen die Talking Heads ihre Erfolgsgeschichte in diesem kleinen, schmutzigen, legendären New Yorker Club. Achachach. Ich gebe zu, das ist einer Tage,
da kann ich sogar Nenas Lieder gut hören; und die aus Liverpool importierte Hymne
„You´ll never walk alone“ scheint mir sowieso eine existentielle Botschaft zu enthalten. Wenn man das Existentielle nicht grau zeichnet!
Joachim Krol entdecke ich später am Rande der Hauptbühne.
Er hat auch dieses Leuchten in den Augen – wir sind halt alle Dortmunder Jungs.
Was für wogende Mengen: viel gehüpft, viel gesungen (schlichte Verse, die tief gehen) – „Rubbel die Katz, rubbel die Katz, rubbel die Katz am Borsigplatz !“