Ja, das Buch hat sicher schon jeder in einem Buchladen gesehen, pralle 700 Seiten dick, das Debut von Tana French. Gerne wird es gelobt für seinen lyrischen Schreibstil, was ihm die Weihen des literarischen Kriminalromans zuteil werden lassen soll. Richtiger ist, dass Tana French zwar sinnlich und phantasievoll schreiben kann (dabei stets eine genaue Beobachterin bleibt) – doch jederzeit kann die Sprache einen anderen Takt anschlagen, und alles Episch-Ausladende weicht einem schnelleren Rhythmus. Es ist die Geschichte eines Ermittlerpaares, das in der Nähe von Dublin im Falle eines Kindsmordes tätig wird. Geschickt mischen sich Elemente des Schauerromans mit dem eines klassischen Whodunits. Was diesen Roman weit über den Durchschnitt erhebt, ist eine permanente Doppelbödigkeit auf allen Ebenen. Rob, der männliche Part, ist einst knapp einem Mordanschlag entgangen (genau in der Gegend, in der nun, 20 Jahre später ein neuer Mord passiert). Cassie, der weibliche Part, hört gerne die Cowboy Junkies, und schleppt gleichfalls seelischen Traumen mit sich rum. Nie weiss man so genau, in welche Richtung sich die Dinge weiter entwickeln: romance, gothic, police? Die Handlung treibt mal vivace, mal piano voran, nichts wird unnötig in die Länge gezogen (eine Kunst bei soviel Seiten!) – alles ist ganz fein inszeniert und dabei kein bisschen gemütlich/betulich/altbacken wie in den Romanen ihrer Kolleginnen Donna Leon oder Elizabeth George.
2011 25 Mai
Grabesgrün
von: Michael Engelbrecht Filed under: Blog | TB | Tags: Thriller | Comments off