Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

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Archives: Mai 2011

2011 29 Mai

The Beginning Of Memory

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Zugegeben: ich zitiere gerne, finde in so manchem Zitat meine Gedanken, Erinnerungen und Erlebnisse objektiviert. Wie im Folgenden:

„Genazino ist ein Prosa-Kleinod gelungen, das nebenbei vom Erzählen selbst erzählt:
Denn was ist Literatur im Grunde anderes als die Absicht, Erinnerungen mitzuteilen?“
(Der Spiegel zu Genazinos „Das Licht brennt ein Loch in den Tag“)

Geschichten zu verfassen von dem, was man erlebt hat: das könnte sogar
so manches Ungemach des Älterwerdens kompensieren …

2011 28 Mai

The Last Days of December

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Gestern, es war gerade dunkel geworden, hatte ich große Lust, mich in einen Song des neuen Sylvian-Werkes zu vertiefen, der mich nach dem ersten und zweiten Hören im Stillen verfolgte – ich dachte an jenes Lied wieder und wieder, das ich weder nachsingen konnte noch textlich in Erinnerung hatte: THE LAST DAYS OF DECEMBER. Und beim Wiederhören fielen die berühmten Schuppen von den Ohren. Diese kleine Melodie, die an zwei Stellen auftaucht, wie einem schwebend leichten Pop-Song (Sylvian doppelt seine Stimme) entsprungen! Nach kurzer Zeit ist der schöne Spuk der federleichten Schwingung vorbei. Es ist nicht weiter erwähnenswert, daß ich hier Pop-Qualitäten aufgespürt hate, sondern daß sich auf einmal dieses ganze Lied in seiner bizarren Wunderlichkeit erschloss: Begriffe wie „Avantgarde“, „strenge Kost“ oder „Musik für die Wittener Tage der Kammermusik“ verschwanden. Und plötzlich (etwas später, kurz vorm Einschlafen in meinem cloud 22-Bett) tauchte ein anderes, das zweite Lied des Albums, vor dem inneren Ohr auf: ein Domino-Effekt permanent zu entdeckender Brillianz.

Die Zeit ist ein Dieb. Sie stiehlt unser Leben. Frisst unsere Tage, wie man behaupten könnte, und verschlingt unsere Nächte. Stunde für Stunde, Minute für Minute. Menschen, Augenblicke, Geheimnisse. Ganz hinten in meiner unordentlichen Schreibtischschublade, der mittleren, die ich nie leere, sondern immer nur fülle, da bewahre ich seit Jahren einen Daumen auf.

Mit diesen Sätzen beginnt der neue Roman des schwedischen Kriminalschriftstellers Hakan Nesser. Und der in Formalin eingelegte Daumen ist nicht das einzige exotisch wirkende Körperteil, dem eine besondere Rolle zukommt. Da gibt es schließlich noch einen Schädel, der, auf dem Kopf stehend, auf einem Nachttisch ruht – nur bei so genannten Quadratschädeln ist so was möglich – und diesem steckt noch dazu ein Papierfetzen im Mund mit dem Schachzug „e2- e4 schachmatt“. Wie kann der klassische Eröffnungszug eines Bauern zum Matt führen? Man fühlt sich an abstruse Mordszenarien erinnert, die einst Arthur Conan Doyle oder John Dickson Carr konstruiert haben. Aber dieses Buch wird nicht zur Groteske, es erzählt eine Liebes- und Mordgeschichte, die sich in den späten sechziger Jahren in einem kleinen Ort in der schwedischen Provinz zugetragen hat.

Die Rezeption schwedischer Krimis leidet darunter, dass so gut wie jeder Autor erst einmal mit Henning Mankell verglichen wird, um ihm den gebührenden literarischen Platz an seiner Seite, etwas erhöht oder erniedrigt, zuzuweisen. Da geht es dann immer wieder um die von Sjöwall/Wahlöö begründete Schule des „schwedischen Realismus“, und wie kunstvoll ein Autor gesellschaftliche Wirklichkeit mit möglichst Nerven zerreißender Spannung koppelt. „Und Piccadilly Circus liegt nicht in Kumla“ schert sich keinen Deut um irgendwelche brennenden sozialen Themen im Schweden jener Jahre, und die Spannung baut sich ganz langsam auf, in einem 324 Seiten währenden Crescendo!

Hakan Nesser interessiert sich vor allem für das Innenleben des jungen Mauritz, der früh seine große Liebe entdeckt – die „klassische“ Nachbarstochter -, der nach geistiger Nahrung sucht und – gefiltert durch das naive Gemüt eines Heranwachsenden – fündig wird bei Jean Paul Sartre und Albert Camus, und der sich bei Kräfte zehrender Arbeit des Torfstechens die nötigen Mittel verdient, um seine Schallplattensammlung zu vergrößern. Denn auch im verschlafenen Kumla ist die große Welle der Hippie-Bewegung angekommen. Mauritz holt sich bei den Texten seiner Dylans und Lennons Gebrauchsanweisung fürs richtige Leben und Fühlen – und wird dabei selber kreativ.

A working class hero is something to be. Und genauso fühlte ich mich, aber die Worte wollten mich einfach nicht loslassen. Wenn ich Songschreiber statt Torfarbeiter wäre, dachte ich, dann würde ich genau diese Worte in Musik kleiden. Eine Viertelstunde später war ich immer noch nicht eingeschlafen. Ich machte wieder das Licht an, setzte mich an den Schreibtisch und brachte die Zeile zu Papier. Dann suchte ich einen Briefumschlag heraus, adressierte ihn an John Lennon, Apple Studios, London, UK, und klebte eine Briefmarke darauf. Vielleicht kann der ab und zu auch ein wenig Unterstützung gebrauchen.

Was leicht zu ironisch gefärbter Erinnerungsseligkeit werden könnte – wird durch den Einbruch von irrwitziger Gewalt getrübt. Ein Mord wirft Schatten auf die junge Liebe des Protagonisten, Schatten auf seine gesammelten Träume von „freier Liebe“, Schatten auf alle kommenden Jahre!

Hakan Nesser versammelt in seinem Roman eine Schar geradezu archetypischer Krimifiguren: die rätselhafte Schöne, der geduldige Kommissar, der gelehrte Vater, der schrullige Polizist, der exzentrische Dandy, das versoffene Dorfgenie! An der Oberfläche ist dies dann auch der alte „Whodunnit“: Der Leser wird einbezogen in die Tätersuche und mit geschickt lancierten Informationen immer aufs Neue geködert. Doch Hakan Nesser gibt sich nicht damit zufrieden, altmodische Krimikunst ins schwedische Hinterland zu Zeiten weltweiten Aufruhrs zu transportieren. Mit einem beiläufigen, allem tragischen zuwiderlaufenden Erzählton, spürt der 1950 geborene Autor eine unüberbrückbare Diskrepanz auf – von Lebenstraum und Lebenstrauma!

Und hierbei entpuppt sich dieser vorzügliche Roman als entfernter „Seelenverwandter“ von Maarten T’Harts „Das Wüten der weiten Welt“. In beiden Romanen bildet die Musik – dort Bach, hier die Rockmusik – einen fulminanten Gegenentwurf zu den Dämonen, mit denen man sich innerhalb der eigenen, gern heil genannten Welt, auseinandersetzen muss.

Der „Deus ex machina“ im Sinne eines alle Widersprüche auflösenden Handlungsentwurfs, bzw. eines von Johann Sebastian Bach oder Jim Morrison veranstalteten Kunstgriffes, funktioniert nicht! Da, wo die dramatischen Momente eines Lebens keine Lösung erfahren, bleibt Musik nur Trostspender – und Aufklärung ein klassisches Schachmatt! Mit einem profunden Pessimismus, der in eine herrlich leicht erzählte Geschichte eingeschleust wird, unterläuft Hakan Nesser das ganze altmodische Gefüge seines Romans.

2011 26 Mai

Scobel (1)

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Mich interessiert´s, vielleicht den Einen und die Andere auch:

Nicht nur wirtschaftlich hat sich der Alltag durch das World Wide Web dramatisch verändert. Es gibt kaum Modelle, wie durch eine geeignete Ordnungskompetenz die Flut von Information sinnvoll genutzt werden kann. Auch an die Kosten des Internets verschwenden wir nur wenig Gedanken. Über diese und andere Themen diskutiert Gert Scobel mit Constanze Kurz vom Chaos Computer Club, Frank Schirrmacher von der FAZ und Gisela Schmalz von der Rheinische Fachhochschule Köln. (3sat)

Heute um 21:00 Uhr auf 3Sat.

 
 

 
 
 
Jetzt also eine neue, aktuelle Wasserstandsmeldung aus der Alchemistenküche –
und man kann Entwarnung geben allen Hasenfüßlern, die noch in den drögen Tälern
und klammkaltem Wäldern von MANAFON vor dem Rabbitskinner flüchteten und
aufgeregt umherirrend riefen: „What a Noisemaking and Troubleshooting!“

Die Variationen des umstrittenen, kontrovers rezipierten Erstlings kommen jetzt
in eingänglicher Form daher und bestätigen wieder mal: „Die Wahrheit ist milde“.
Denn das hört sich gar nicht mehr so sperrig und schwer verdaulich an wie die
vormals mit Improv-Ballaststoffen dargereichte Magerkost.

Trotzdem war MANAFON wichtig und unverzichtbar, denn: „Im Mangel blüht der gelbe Ginster der Erleuchtung“. Und nur, wer die Hohe Schule der Enthaltsamkeit erduldet,
wird die Schule der Besänftigung dann umsomehr geniessen können – das wußte
schon Altgrieche Epikur.

Auf DEAD BEES ON A CAKE gab´s ein Stück Kuchen, das besonders schmackhaft war:
der Song Alphabet Angels. Gern hätt ich mehr davon gehabt. Nun endlich die Fortsetzung dieser besonderen Art des Songwritings: I Should Not Dare – and should I dare to say
that it´s one of the best songs, that i´ve ever heard?

Aber auch A Certain Slant Of Light ist ein aussergewöhnlich schöner Song:

Sylvian, once more a creator of sublime beauty – he promised us poetry and kept to this promise. Arve Hendriksens Trompetenausklang hier: wie mit einem Stock beiläufig in Sand gezeichnete Linien eines buddhistischen Mandalas, das dann vom Winde verweht wird. Ephemere Reflektionen; flüchtiges Nebenbei; ästhetische Sensationen an den Rändern des Geschehens. Als ein mehr Song- denn Albumorientierter ist mein erster Eindruck: dies sind zwei sehr gute CDs mit zwei Liedern drauf, die Ihresgleichen suchen und nicht finden.

Manchmal mag ich es, die Welt eines andern zu verfolgen, z. B. anhand einer Fotoserie. Diese Orte, an denen ich nie weilte, sind diesem Fremden gewiss ans Herz gewachsen. Mindestens für den Moment, in dem er sie ablichtete. Man muss auch nicht immer bei Sonnenuntergängen und Regenbögen an Kitsch denken. Diese unspektakuläre Bilderreihe hat mir besonders gefallen (das Liebespaar darin hat sich sehr dezent porträtiert) – und da der Fotomacher  dazu Bill Callahans „Riding for the Feeling“ laufen lässt, gehen mir die Bilder noch viel näher. Denn hier nimmt man gleichsam auch Abschied, von Orten, an denen man nie war, an denen man kaum je sein wird.

 

“Es ist nie einfach, Goodbye zu sagen zu den Gesichtern / So selten sehen wir einander / so nah und so long / Ich fragte den Raum: habe ich genug gesagt / Niemand antwortete wirklich / Sie sagten nur: geh nicht, geh nicht / All dieses Fortgehen hört niemals auf / ich hoffte auf eine weitere Frage / oder auf jemanden, der sagt: wer denkst, wer du bist? / Sodass ich es ihnen sagen könnte  / Mit der Intensität, mit der sich ein Tropfen gesetzmässig verflüchtigt, ist, insgesamt, Fortgehen leicht, wenn du einen Ort hast, an dem du verweilen kannst. / Vor dem stummgestellten Fernseher / höre ich, auf dem Hotelbett alte Kassetten / meine, meine, meine Apokalypse / Mir wurde klar, wie wenig ich gesagt hatte über Wellen oder Räder / oder darüber zur reiten für das Gefühl / Reiten für das Gefühl ist die schnellste Art, die Küste zu erreichen / Was, wenn ich dort, am Ende gestanden hätte und wieder und wieder gesagt hätte / Reiten für das Gefühl / Reiten für das Gefühl / Reiten für das Gefühl / wäre das ein angemessenes Goodbye gewesen?“

2011 25 Mai

RE: ECM

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Hier ein kleiner Vorgeschmack auf die Klanghorizonte im Deutschlandfunk am 6. Juni: da spiele ich einige Stücke der neuen Doppel-CD von Riccardo Villalobos & Max Loderbauer. Die Hauptfrage: wie funktioniert das, Klänge aus ECM-Produktionen in eine elektronische Landschaft zu transportieren, ohne aus einem alten Zauber einen „special effect“ zu machen? Loderbauer und Villalobos geben ein paar Einblicke in ihre Vorgehensweisen:  https://www.youtube.com/watch?v=Ofg9ioa3h88

2011 25 Mai

Grabesgrün

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Ja, das Buch hat sicher schon jeder in einem Buchladen gesehen, pralle 700 Seiten dick, das Debut von Tana French. Gerne wird es gelobt für seinen lyrischen Schreibstil, was ihm die Weihen des literarischen Kriminalromans zuteil werden lassen soll. Richtiger ist, dass Tana French zwar sinnlich und phantasievoll schreiben kann (dabei stets eine genaue Beobachterin bleibt) – doch jederzeit kann die Sprache einen anderen Takt anschlagen, und alles Episch-Ausladende weicht einem schnelleren Rhythmus. Es ist die Geschichte eines Ermittlerpaares, das in der Nähe von Dublin im Falle eines Kindsmordes tätig wird. Geschickt mischen sich Elemente des Schauerromans mit dem eines klassischen Whodunits. Was diesen Roman weit über den Durchschnitt erhebt, ist eine permanente Doppelbödigkeit auf allen Ebenen. Rob, der männliche Part, ist einst knapp einem Mordanschlag entgangen (genau in der Gegend, in der nun, 20 Jahre später ein neuer Mord passiert). Cassie, der weibliche Part, hört gerne die Cowboy Junkies, und schleppt gleichfalls seelischen Traumen mit sich rum. Nie weiss man so genau, in welche Richtung sich die Dinge weiter entwickeln: romance, gothic, police? Die Handlung treibt mal vivace, mal piano voran, nichts wird unnötig in die Länge gezogen (eine Kunst bei soviel Seiten!) – alles ist ganz fein inszeniert und dabei kein bisschen gemütlich/betulich/altbacken wie in den Romanen ihrer Kolleginnen Donna Leon oder Elizabeth George.

2011 24 Mai

Bob Dylan´s Dream

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Bob Dylan’s Dream

While riding on a train goin’ west
I fell asleep for to take my rest
I dreamed a dream that made me sad
Concerning myself and the first few friends I had

With half-damp eyes I stared to the room
Where my friends and I spent many an afternoon
Where we together weathered many a storm
Laughin’ and singin’ till the early hours of the morn

By the old wooden stove where our hats was hung
Our words were told, our songs were sung
Where we longed for nothin’ and were quite satisfied
Talkin’ and a-jokin’ about the world outside

With haunted hearts through the heat and cold
We never thought we could ever get old
We thought we could sit forever in fun
But our chances really was a million to one

As easy it was to tell black from white
It was all that easy to tell wrong from right
And our choices were few and the thought never hit
That the one road we traveled would ever shatter and split

How many a year has passed and gone
And many a gamble has been lost and won
And many a road taken by many a friend
And each one I’ve never seen again

I wish, I wish, I wish in vain
That we could sit simply in that room again
Ten thousand dollars at the drop of a hat
I’d give it all gladly if our lives could be like that

Kommentar Richard Williams:

One man’s plagiarism is another man’s folk process. Dylan lifts themelody of the traditional Lord Franklin, and some of its lyric tropes, to create a poignant and astonishingly mature reflection on the evanescence of youth, sketched with a few deft brush strokes. If you were 16 at the time, he strengthened the resolve to enjoy your precious time, and deepened your appreciation of it after it had gone.

2011 22 Mai

Bob, 70

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Am Dienstag wird Bob Dylan 70, und ich freue mich riesig auf das Konzert in Mainz Ende Juni. Richard Williams (er tauchte schon mal in meiner Bob-Marley-Geschichte „Catch A Fire“ auf) stellt im „Guardian“ seine 20 Lieblingslieder von His Bobness vor.  

https://www.guardian.co.uk/music/musicblog/2011/may/20/twenty-favourite-bob-dylan-songs

Da finden sich dann auch viele, die ihre  „favourite songs“  präsentieren. Besonders gut gefällt mir eine Mail von miserlyoldgit; zum Ende hin, nachdem er seine liebsten Lieder benannte, schreibt er:

„To be honest, i don’t like lists and under other circumstances I would just play all my Dylan vinyl, including the various bootlegs and then move onto the cds.Something I hope to start at about 7 this evening. Will you all be joining me in similar endeavours wherever you are spending the weekend?“

P.S. Münsters bester Musikjournalist,  Andreas „The Flying“ Dewald, war ganz beglückt, daß Richard Williams ganz oben auf seiner Liste einen Song hatte, der auch zu seinen liebsten und gar nicht so berühmten Songs zählt: Bob Dylan´s Dream (aus: The Freewheelin´ Bob Dylan)


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