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2011 25 Apr.

Grönemeiers Schiffsverkehr, eine Deutung

von: Michael Engelbrecht Filed under: Blog | TB | Tags:  | 2 Comments

Schiffsverkehr

Entfalte Meine Hand
Die Anker Los
Denn Auch Jedes Tief Dreht Sich Ins Hoch
Fall Auf Meinen Fuß
Die Feuer Sind Gesetzt
Und Die Nebel Leuchten

Deutung: Das lyrische Ich macht sich auf den Weg auf die hohe See.
Es ist sicher, dass nach schlechter Zeit auch mal wieder eine gute Zeit kommt.
Herzlichen Glückwunsch, schon mal vorab, zu dieser Erkenntnis!

Weg Mit Dem Fixen Problem
Ich Will Mehr
Schiffsverkehr
Endlich Auf Hohe See
Endlich Auf Hohe See

Deutung: Ein fixes Problem will das lyrische ich loswerden; es soll nicht starr sein,
sondern in Bewegung geraten. Schau, schau: „Wenn man sich bewegt, bewegt sich was“.
Hey, diese Textzeile hätte auch noch gut gepasst. Das ist nicht Küchenpsychologie,
das ist Besenkammerpsychologie.
 

Werde, Wer Ich Bin
Gute Fahrt
Die Dämonen Sind Versenkt
Aufgeklart
Es Gibt Kein Damals Mehr
Es Gibt Nur Ein Jetzt, Ein Nach Vorher

Deutung: das lyrische Ich will in der Gegenwart leben. Es hat die Dämonen versenkt. Hoffe, die waren schon tot, als er sie versenkt hat. Die Vergangenheit gibt es nicht mehr. Das ist natürlich Blödsinn, Herr Grönemeier. Und für das Jetzt erfinden Sie einen neuen Ausdruck, das „Nach Vorher“. Entschuldigung, aber dieser Ausdruck hat keinerlei
sinnliche Präsenz und wirkt ein bisschen lächerlich.
  

Stell Mich Vor
Das Leere Tor
Ich Schlag Mich Fein
In Seide Ein
Geb Mir Ewigen Schnee
Pures Gold, Wohin Ich Seh
Und Leb Mich Voran
Und Leb Mich Voran
Und Ich Verliere Mich In Mir

Deutung: ich fürchte, hier brennen dem Dichter die Sicherungen durch.
Vor einem leeren Tor trägt er Seide und wünscht sich ewigen Schnee.
Befindet er sich
in Todesnähe? An einer Schwelle? Oder meint er Koks? Oder ein El Dorado im ewigen Eis? Wird er hier gar vieldeutig? Er sieht überall pures Gold. Welche Drogen sind im Spiel?
Ein bisschen holzschnittartig ist das für so viel Psychedelik. Dann wird’s ganz hart:
das lyrische Ich lebt sich voran und verliert sich in sich; das ist nicht mehr Besenkammerpsychologie, das ist trivialer Totalblödsinn!  Er spielt wieder
mit Pseudotiefe und kalauert dabei vollkommen unfreiwillig.

Brauch Meinen Tag
Kein Schicksalsschlag
Das Salz In Mir
Die Vorfahrt
Radikalkur
Klare Natur
überholspur
Kein Radar
Den Abendstern

Deutung: Na, klar, jetzt zieht es unsern Freund zum Abendstern, natürlich auf der Überholspur. Schliesslich will er keine Zeit verlieren. Er reimt im Staccato, will sagen:
auf Teufel komm raus, Radikalkur auf klare Natur. Da steckt natürlich Potential drin,
wenn eine Brauerei mal wieder einen Song für einen Werbespot sucht. Da passen auch
Form und Inhalt, denn wenn man Lyrik auf einen Promillegehalt untersuchen könnte,
wäre das hier schon was für eine Zwangausnüchterung.
 

Endlich Freie Sicht
Die Segel Sind Gefüllt
Und Keine Liebe Bricht Mich

Deutung: das lyrische Ich hat freie Sicht. Prima. Die Segel sind gefüllt: ich ahne,
es weht eine steife Brise (da fällt mir ein Bierwerbespot mit Joe Cocker-Musik ein).
Und er ist frei von allem Liebeskummer. Das überrascht nicht: denn die Vergangenheit
hat er ja abgeschafft (s.o.), und eine Braut ist bei dem Verrückten glücklicherweise  
nicht mit an Bord.

This entry was posted on Montag, 25. April 2011 and is filed under "Blog". You can follow any responses to this entry with RSS 2.0. Both comments and pings are currently closed.

2 Comments

  1. Jochen:

    Guter Text. Musste schmunzeln, wenn nicht prousten.
    Aber Vorsicht: Herr Grönemeier steht unter (Kultur-)Denkmalschutz.
    Und der gemeine Fan (die Fangemeinde) sorgt sich,
    daß ihn auf hoher See ein U-Boot rammt … ;)

  2. Michael Engelbrecht:

    Nur gut, dass Herr G. mitunter so knödelig singt, dass man diese hanebüchene Tiefsinnsschinderei nur versteht, wenn man (wie in der Oper) ein Textheft zur Hand nimmt.


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