Wer die Stimme der brasilianischen Sängerin CéU mag, sich aber von den Niederungen der Pop-, HipHop- und Dub-gebundenen Songs zeitweilig lösen möchte – und sei es auch nur für einen Kurzurlaub -, der findet in den himmlischen Sphären freierer Musikformen ein ebenso frisches, vitales und bodenständiges Äquivalent.
Hier ist es Jen Shyu on vocals, die der esoterischen Musikmathematik des Altsaxophonisten Coleman und seinen „Five Elements“ ein sechstes Element hinzufügt. Die Emotionalität ihres virtuosen (Scat-)Gesanges macht diese Musik zugänglich und zu einem ausgesprochenen Hörvergnügen. Erinnerungen an Flora Purim kommen auf – oder an Gunter Hampels „Galaxy Dream Band“ mit Jeanne Lee. Auch Assoziationen etwa zu Theo Bleckmann und Ben Monder werden geweckt, zu den Buddies Greg Osby und Gary Thomas sowieso.
Die Aufnahmequalität und der Klang dieses Albums sind brilliant. Hier wird ein neuzeitlicher Standard erfüllt, der auch Highend-Herzen höher schlagen lässt. Es sind dies die famosen Begleitmusiker (Jonathan Finlayson on trumpet; Tim Albright on trombone), die ihren Beitrag dazu leisten, neben den ausgetüftelten Kompositionen (oder ist das etwa schon Programmiersprache?). Besonders auffällig und hörenswert ist das knackige Rhythmus-gefüge von Drums (Tyshawn Sorey) und Bass (Thomas Morgan).
Der allseits gefeierte Pianist Vijay Iyer, seinerzeit Weg- und Bandgenosse Colemans, sieht den M-Base Veteranen auf Augenhöhe mit dem großen Coltrane. Die Musik ist allerdings sehr verschieden: einerseits spirituelle Emotion pur, andererseits konstruktivistische, vitale Coolness. Das ergänzt sich gut.