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2014 26 Feb

Was ist schon vergangen?

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Was für eine Anfangsszene in dem gerade in den Kinos laufenden Film des iranischen Regisseurs Asghar Farhadi „Le Passé“! Ein Mann in der Ankunftshalle eines Flughafens, ganz offensichtlich auf der Suche nach jemandem. Hinter einer Glasscheibe entdeckt er sie schließlich. Als die beiden endlich Blickkontakt haben, sprechen sie, ohne die Worte des anderen zu hören, und sie verstehen einander. Kaum zu glauben, dass der Mann, Ahmad, eben aus dem Iran nach Paris geflogen ist, um sich von Marie scheiden zu lassen. Doch die alten Konfliktmuster sind schnell wieder da. Es geht schon damit los, dass Marie entgegen der Vereinbarung kein Hotel für Ahmad gebucht hat. So wohnt Ahmad im Haus von Marie, wo diese mit ihren beiden Töchtern (5 und 16) sowie ihrem neuen Partner und dessen 5-jährigem Sohn lebt. Schnell wird klar, wie spannungsgeladen die Situation im Haus ist und dass es einen besonderen Grund für die Zurückgezogenheit von Maries ältester Tochter Lucie geben muss. Stück für Stück und in meisterhafter Dramaturgie entfaltet sich die Handlung, spannend bis zum Schluss. Asghar Farhadi wird sich intensiv mit Ingmar Bergmann beschäftigt haben: Die Streitgespräche balancieren manchmal hart an der Grenze des Erträglichen. Da wären ein bisschen mehr Geheimnis und ein bisschen mehr Schweigen, wie in der Anfangsszene, wünschenswert gewesen. Marie ist in einer extremen Stresssituation, sie neigt zu Wutausbrüchen und verliert öfter die Kontrolle, während Ahmad mit einer manchmal fast schon unglaublichen oder auch nicht glaubhaften Gelassenheit, Souveränität und sozialen Kompetenz die schwierigsten Situationen meistert. Der Grund für die Trennung der beiden bleibt glücklicherweise offen. Vielleicht ist Ahmads Gerechtigkeitswille einfach zu viel für eine Frau, die auch mal etwas Dramaturgie in ihrem Leben sucht.

In diesem Film, der durchaus einige typische Züge des französischen Kinos trägt und in dem mir etwas zu viel ausgesprochen wurde, hat mich der Sohn von Maries neuem Partner, der 5-jährige Fouad (Elyes Aguis) am meisten beeindruckt. Er war der geheimnisvollste, er war derjenige, dem ich als Figur noch mehr zugetraut hätte. Ein Junge, in dessen Gesicht man so viel lesen konnte.

 

 
 
 

Da bekommt einer nicht das, was er will, und möchte wenigstens von seinem Scheitern erzählen, und dabei entdeckt er unerwartet neue Perspektiven. So könnte man die Metageschichte hinter Wim Wenders modernem Klassiker „Der Stand der Dinge“ zusammenfassen. Anfang der 80er Jahre musste Wenders in Los Angeles die Dreharbeiten zu „Hammett“ wegen fehlender finanzieller Mittel abbrechen. Das gleiche Desaster passierte seiner Freundin als Schauspielerin mitten in einem Projekt in der Nähe von Lissabon. Wenders brachte Filmmaterial aus privaten Beständen von Berlin nach Portugal, um den Film zu retten. Er beobachtete zwei Tage lang die Dreharbeiten und war so begeistert, dass er sofort mit dem gleichen Team weiterdrehen wollte. Einen Film ohne Drehbuch, mit vorgefundenen Schauspielern, vorgefundenem Thema – dem Scheitern eines Filmes aus finanziellen Gründen – und vorgefundenem Drehort, einem zauberhaften zerfallenden Hotel am Strand.

Anfang der 80er, Zeit des Wettrüstens. Da lag es nahe, als Film im Film ein paar Überlebende einer Atomkatastrophe mit visionären Sonnenbrillen durch eine vernichtete Landschaft wandern zu lassen. Die einzige Farbfilmpassage, sie wurde abgebrochen, weil die letzte Filmrolle aufgebraucht war, und die eigentliche Story begann: Drehpause, Warten. Schauspieler in der existenziellen Grundsituation: wie sollen wir weitermachen? Wenders entwickelt ab hier den Film zunächst ganz aus den Charakteren heraus und er nutzt deren Talente und Eigenheiten. Da gibt es diejenigen, die sich mit einem Buch oder mit der Geige zurückziehen, andere kümmern sich um ihre Kinder, wieder andere um sich selbst oder sie plaudern miteinander oder fangen Liebesbeziehungen an. Eine Weile wirkt alles wunderbar frei und lässig. Die Energie einer Fingerübung. Dann erfährt der Kameramann vom Tod seiner Frau und verschwindet. Der Regisseur macht sich auf nach Los Angeles, um den Produzenten zur Rede zu stellen und Gelder zu organisieren. Der dritte Teil spielt in Los Angeles, wo es zur Begegnung von Regisseur und Produzent kommt, eine ziellose Fahrt in einem Wohnmobil.

Wim Wenders wollte in „Der Stand der Dinge“ das Scheitern des Filmemachens zeigen, dabei hat er das Geschichtenerzählen neu entdeckt. Besonderes Lob gebührt hier dem Kameramann Henry Alekan, der so gekonnt mit dem Licht gearbeitet hat, dass ihm sämtliche Abstufungen zwischen schwarz und weiß geglückt sind. Der „Stand der Dinge“ ist auch ein Film, der in seiner Entstehungszeit ruht. Diese wunderbar unprätentiösen Frisuren und technischen Geräte (Kassettenrecorder, Walkman, Polaroid- und Filmkameras für die Kinder und wie auf einem Apple endlos lange Zeit ein paar Bilder und Dateien geladen werden). Heute hat das Kino andere Probleme. Das technische Equipment ist günstiger geworden. Eine wochenlange Drehpause: undenkbar. Und was die Crew in der Wartezeit manchen würde? Wahrscheinlich würden alle beim Anblick auf ihre Bildschirme erstarren.

 


 
 
 
“Kill your darlings” ist ein Tipp an junge Schreibende, der sich in jedem US-amerikanischen creative-writing Ratgeber findet. Häng nicht allzu sehr an irgendwelchen Formulierungen. Beiß dich nicht fest. Lass los, feel free, schreib weiter. „Kill your darlings“, jetzt also auch im Kino, eine wunderbare Ergänzung zu „The Howl“, was vor einigen Jahren lief. Es geht um die Anfänge des Dichters Allen Ginsberg. Genauer, um die Zeit, als der junge Allen stolz an die New Yorker Columbia University zugelassen wurde und eben noch kein Dichter war. Ein gewisses aufsässiges Potential steckte allerdings schon in ihm. Er wagt es, in der Poesievorlesung eines Professors, der von klaren Formen und Strukturen schwärmt, nach Walt Whitman zu fragen. Und er freundet sich mit dem etwas älteren Studienkollegen Lucien Carr an, eine charismatische, authentische und provozierende Gestalt (glänzend gespielt von Dane DeHaan, im Foto oben rechts). Lucien führt Allen in die Welt der Jazzclubs, der Drogen, unberechenbarer Abenteuer und der Schwulenszene ein, er macht ihn auch mit William S. Burroughs bekannt, der im Film jedoch eine Randfigur bleibt. Neue Wörter, neue Rhythmen, das ist die poetische Vision der Beat Generation. Gern würde ich die ergreifenden Zitate von Shelleys´ „Elegy for Keats“ und aus Yeats´ „A Vision“ nachlesen, ebenso das erste Gedicht, mit dem Allen den kritischen Lucien beeindrucken konnte, die beiden nachts in einem geklauten Ruderboot, und Allen stand plötzlich auf und kramte dieses Stück Papier aus der Hosentasche. Ein Liebesgedicht, das ankam. Lucien zieht Allen in eine höchst problematische Beziehungsgeschichte hinein, schließlich müssen beide die Uni verlassen. Wegweisende Lyriker sind auch hierzulande Studienabbrecher gewesen: Ein Trotz, der Thomas Kling und Rolf Dieter Brinkmann verbindet. Der Film ist keine Sekunde langweilig. Great stuff.

Viele Teenager sogen damals, wie ich, die Filme von Claude Chabrol und Francois Truffaut auf, enthielten sie doch im besten Falle Inititiationen für eine unbekannte Zukunft parat, Einblicke in seelische Tiefen und Untiefen, Chroniken bestens unterhaltender Liebeswirrnisse. Antonine Doinel, das alter ego von Truffaut, stolperte von einer amour fou in die nächste. Mit der schönen, unnahbaren Stephanie Audran, schlief ich in meinen Träumen nur zu gerne, egal, ob sie zuvor die Leidende oder die Böse gespielt hatte. Einer meiner Lieblingsfilme von Truffaut – im fortgeschrittenen Teenageralter – war „Zwei Mädchen aus Wales und die Liebe zum Kontinent“. Wenn ich mich heute an ihn erinnere, kann ich nichts von der Geschichte erinnern, und doch lächle ich vor mich hin, wenn ich an all das Warten, Sehnen, Schauen und Küssen denke, etwas Zartes und Unentwegt-Drängendes in den bewegten Bildern.

 
 
 

 
 
 

Heute sind einige der alten Filmhelden (vor und hinter der Kamera) schon tot, und leben fort in den Erinnerungen. Im Cimetiere de Montmartre liegen viele berühmte Künstler begraben, Hector Berlioz etwa, der Schöpfer der „Symphonie fantastique“, oder Heinrich Heine (gegenüber von Truffaut, sie könnten sich nachts endlos Geschichten erzählen!). Als ich das Grab von Truffaut besuchte, wurde mir ganz weh ums Herz. Denn da lag einer, der uns die Liebe zum Kino lehrte, wundervoll fabulierte, nie mit falschem Ernst, und nie mit falscher Heiterkeit. Die Personen sind, egal, wie sie um ihre innere Fassung ringen, welche Coolness sie zur Schau tragen, Stolpernde auf der Bühne des Lebens, auf der Suche nach ihrer nächsten Bestimmung oder ihrem nächsten Irrtum.

 
 
 

 
 
 

Und so las ich, was eine schöne, kluge Italienerin (Phantasie!) als Botschaft aus dem Diesseits auf dem schwarzen Marmor von Truffauts Grab hinterlassen hatte. Sie hatte ihren Satz auf eine Eintrittskarte eines berühmten römischen Kinos geschrieben, die Notiz mit einem Herz aus kleinen Steinen beschwert, damit sie nicht gleich ein Fang des Windes würde. Sie bedankt sich, und gibt dem Altmeister recht: „Das Kino überlebt das Leben“. Nur hatte ich den Satz zu schnell erfasst und falsch gelesen, beim zweiten Lesen korrigierte sich mein Irrtum: Vouz avez raison. le cinema sauve la vie. „Sie haben Recht. Das Kino rettet das Leben.“ Nun, die Nachricht stammt auf jeden Fall von einer klugen Frau, das verrät die Handschrift, schauen Sie sich genau an. Leicht zu erkennen mit graphologischen Grundkenntnissen. Nicht mal an den Gräbern hört man auf, ein Detektiv zu sein. Fragen Sie mal Julio Cortazar!

2013 27 Jun

Theda Bara: der erste Vamp

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A Fool There Was (1915)

 

A Fool There Was was a film based on a famous Rudyard Kipling poem called The Vampire. It dealt with a femme fatale who, using her feminine wiles, lured men to their destruction. A huge publicity campaign was drummed up by Fox to promote his new film and star. Theda became „Theda Bara“ (an anagram for „Arab Death“). Stories were circulated by Fox’s press agents, telling of Theda’s exotic past, and a nice girl from Cincinnati soon became a notorious „man-killer.“ This was to be Hollywood’s first ever publicity campaign and Theda Bara became Hollywood’s first studio-manufactured „star.“

1 PORPOISE MOUTH

Steven Spielbergs Filme sind in der Regel familienfreundlich. Vor vielen Jahren habe ich UNHEIMLICHE BEGEGNUNG DER DRITTEN ART im Kino gesehen. Dass Aliens durchaus freundlich gesonnene Galaxienbewohner sein können, war die etwas moralinsaure Botschaft des Films. Jetzt begegnete mir der Film wieder, in dem Francois Truffaut einen ernsthaften Sprachwissenschaftler in verdeckter Mission spielt, ich war allerdings zu müde, um mehr als die ersten fünfzehn Minuten zu sehen. Ganz in der Ferne sieht man einen rätselhaften Streifen. Eine Wolke? Eine Gebirgsformation? Bevor die Kamera die Irritation beseitigt, ist die eigene Wahrnehmung in Erklärungsnot: was um Himmels willen ist das? Auf jeden Fall fern und gefährlich, ein lockender Horizont.

Zunächst entdecken Forscher auf einem Schrottplatz in der mexikanischen Wüste Sonora die 1945 auf mysteriöse Weise im Bermudadreieck verschwundenen Flugzeuge des Flugs 19. Die Flugzeuge erweisen sich als unbeschädigt und funktionstüchtig. Der Besitzer des Schrottplatzes berichtet, die Sonne sei in der Nacht aufgegangen und sie habe zu ihm „gesungen“. Der Mann hat einen starken Sonnenbrand. Ich bin zu müde und wandle schlaftrunken ins Bett.

In der Nacht sitze ich im Cockpit eines alten Fliegers und erkenne in der Ferne eine schneebedeckte Gebirgsformation. Es ist tiefe Nacht, aber die Schneeschicht der Gipfelregion sendet ein seltsames Leuchten aus. Langsam nähere ich mich mit der Maschine dieser bizarren Bergwelt, als plötzlich ein heftiges Rumpeln mich erstarren lässt. Ich habe offensichtlich Entfernungen unterschätzt und einen schwarzen Ausläufer des Berges gerammt. Ich versuche, den Rückwärtsgang einzulegen, und habe grosse Angst, Heidenangst.

Die Maschine ist beschädigt, aber irgendwie gelingt mir eine Bruchlandung. Unangenehmes Motorengerassel, dann Totenstille. Keine Menschen. Nirgendwoland. Fuck, wo ist der CD-Player? Ich weiss genau, um nicht den Verstand zu verlieren, brauche ich jetzt gute Musik. Ich bin doch DJ, und kein Pilot. Ah, da ist der Player, ich fische eine Cd raus. Genau die richtige: ELECTRIC MUSIC FOR THE MIND AND BODY. Ich finde sofort „Porpoise Mouth“. Drehe laut auf. Ah, wunderbar! Fange an zu lachen, heftig zu lachen, und werde dabei wach. (Sie kennen vermutlich Träume, aus denen Sie erwachen, und sie lachen auch noch in den ersten Sekunden des Wachwerdens, während Sie realisieren, dass Sie geträumt haben.)

Ich kenne den Song erst seit einer Woche. Er stammt aus dem ersten Album von Country Joe & The Fish. 1967. Ich suche Informationen zu dem Lied und staune nicht schlecht, wenn ich daran denke, dass ausgerechnet dieser Song im Traum zu meinem ganz privaten Happy End beigetragen hat. Wusste mein Unbewusstes mehr als ich? Die ersten Zeilen lauten:

„The white ducks fly on past the sun, Their wings flash silver at the moon, While waters rush down the mountain tongue, My organs play a circus tune.“

Laut Landjohann (Country Joe), erfahre ich nun, beziehen sich die Verse u.a. auf seinen ersten LSD-Trip. Bruce Barthol bemerkt dazu: „Einiges an diesem Song ist der englischen Musik geschuldet. irgendwie bewegt sich das Lied in der Welt von „Greensleeves“.“ Und dann sagt er, ich möchte den Satz nicht übersetzen,

There was a thing about not sounding „where“ you were“.

 

2 ROCK YOUR DREAMS

Aber was brachte die Verbindung zwischen dem Spielberg-Film und dem Country-Joe-Song zustande? Neben dem „Tagesrest“, der gerne in die Träume fliesst? Nun, der Song beginnt mit einem immer höher werdenden Orgelsound, der unterschwellig den Soundtrack alter Science-Fiction-Filme suggeriert. (Es gibt Leute, die halten dieses Lied gar für die Verarbeitung einer UFO-Erfahrung.)

Zudem hatte Country Joe John Cages „A Year From Monday“ gelesen, und seine Gedanken zur Stille. In meinem Traum herrschte ja auch zeitweilig „Totenstille“. Und der Songschmied wollte in den ersten Sekunden des Liedes den Hörer ganz bewusst von der „Abwesenheit von Sound befreien“, mit einem unheimlichen Sound, der sehr wohl aus dem Nichts kommt, kurz etliche Umheimlichkeiten anklingen lässt, um dann in das herrliche Walzermotiv zu wechseln. Dass man in so kurzer Zeit von einem Schreckensszenario in eine Zone grosser Freiheit gelangen kann, ist ein Verdienst der Musik, und erklärt den anschliessenden Lachanfall im Traum. Was für eine Befreiung. Da drohte ja zuvor an allen Ecken und Enden ein Alptraum. Tiefe Nacht im Nirgendwo etc.

Traumdeutung war mein Lieblingsthema während meines Psychologiestudiums, und hier hatte ich das Gefühl, beim Lesen über den Song mehr und mehr zu einer Teildeutung zu gelangen. Eine Pointe kommt noch. Gary „Chicken“ Hirsh: „Der Song bringt mich zum Lachen, wenn ich ihn höre. Da ist etwas, was mich als Drummer glücklich macht. Eine Rockband, die von 3/4 in 6/8 wechselt, ist gross. Das ist meine Art von Rock’n’Roll.“

(Das Album ist kürzlich neu veröffentlicht worden, mit dem originalen Stereo- und Mono-Mix. Das Werk gilt als eine der ersten psychedelischen Rockplatten, es erschien sechs Wochen bevor der „summer of love“ eingeläutet wurde. Vor meinem Traum hatte ich keinen einzigen Blick in das Begleitheft geworfen.)

2011 20 Sep

The Troll Hunter

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Haben Sie sich schon einmal mit Trollfett eingerieben? Es stinkt fürchterlich, aber es hilft – gegen Trolle. Wussten Sie, dass es Berg- und Waldtrolle gibt, die sich erheblich voneinander unterscheiden? Die Welt der Trolle ist gewiss eines nicht – eindimensional! Gut, sie können sich alle in Steine verwandeln, und manche platzen bei Sonnenlicht. Dass sie gerne Christenmenschen jagen (Trolle erkennen sie am Geruch), dürfte Manafonista Gregs wenig erfreuen, den schon ein Jack Russell-Terrier in freier Wildbahn auf den nächstbesten Baum treibt.

Ich gebe ehrlich zu, es gibt Tage, an denen ich ernsthaft erwäge, ein Trolljäger zu werden (zum Beispiel heute, einen Tag, nachdem mein geliebter Ballspielverein Borussia Dortmund einen Drei-Minuten-Tod in Hannover erlebte). Auf diesen Berufsstand wurde ich aufmerksam, als ich in Kristiansand (hatte nichts mit dem dortigen Punktfestival zu tun) Andre Ovredals Film THE TROLL HUNTER sah. Hatte ja erst Wochen zuvor einen Film mit Monstern gesehen, SUPER 8 – fabelhaft, wie dort Alien-Mythen und das Spielberg-Kino der 70er ironisch gebrochen und dermassen geschickt mit Familiendramen verwoben wurden, dass daraus herzerwärmende Kinokunst wurde.

Mit der „subjektiven Kamera“ dockt THE TROLL HUNTER eher an THE BLAIR WITCH PROJECT an: eine Gruppe von Studenten heftet sich an die Fersen eine Bärenwilderers, und entdeckt mit der Zeit, dass er – in Wirklichkeit – ein Trolljäger ist. In Norwegen ist dieser toternst aufspielende Hans (Otto Jespersen) ein bekannter Komödienstar, erzählte man mir: umso frappierender, mit welch nüchternem Realismus dieser Film aufwartet – in immensen, Gänsehaut einflössenden Landschaften.

Auch die Trolle machen nicht den Eindruck, aus Pappe zu sein. Ja, selbst der größte Skeptiker wird mit der Zeit immer tiefer in seinen Kinostuhl rutschen und dem Realismus  der Darbietung Tribut zollen. Jan Garbarek bekommen Sie hier nicht zu hören, eher die in Skandinavien recht beliebte Verballhornung von Heavy Metal-Gedröhne und dem Instrumentarium der Klassischen Musik. Richtig ernst wurde es, als wieder mal ein Troll platzte, und das Trollblut über die ersten fünf Kinoreihen spritzte. Zwei Frauen (blonde Frauen, sorry!) begannen fürchterlich zu kreischen –  dabei hätte man sich das fast schon denken können, denn die halbe Kinobestuhlung war mit Plastikfolien ausgestattet. Mit dem Schild VORSICHT RENOVIERUNG (natürlich auf norwegisch!) hatte man die Zuschauer reihenweise genarrt. Solch simulierte „shocks of recognition“ hatte der Film gar nicht nötig. Ein Horrorfilm, den ich Ihnen, gestatten Sie mir den Kalauer – kältestens empfehle. Übrigens glaube ich, daß THE TROLL HUNTER auch ein guter Name für eine Rockband wäre, die U2-Songs dekonstruiert.

https://www.youtube.com/watch?v=vy2nAOdBUlw

Beeindruckt? Gut! Dann habe ich für Sie noch einen Filmtipp, der eher familienfreundliches Kino bietet, und ab 6 Jahren freigegeben ist: der zweite Film des Regisseurs Ben Wheatley, der mit DOWN TERRACE ein exzellentes Debut hinlegte (also, entspannen Sie sich!):

https://www.youtube.com/watch?v=aqkqF–v1tg

2011 17 Jun

David Wants To Fly

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Den Meisterregisseur David Lynch persönlich treffen und mit ihm übers Filmemachen reden! – Für den jungen David Sieveking geht ein Traum in Erfüllung, als er seinem Idol im Frühjahr 2006 erstmals direkt gegenübersitzt. Das Treffen findet am Rande eines Workshops in den USA statt. Lynch spricht dort über die Quellen der Kreativität. Und über die Transzendentale Meditation, eine Meditationstechnik, die der Kultregisseur seit über 30 Jahren tagtäglich praktizieren soll. Ist die Meditation das Geheimnis hinter Lynchs abgründigen Filmen? Die Recherchen des Filmemachers David Sieveking führen ihn hinter die Kulissen der Organisation der Transzendentalen Meditation, begründet einst vom legendären Yogi Maharishi Mahesh.

Enthüllungsjournalismus der etwas anderen, und gewiss brillianten Art! Ein Augenöffner, die Manipulierbarkeit des Menschen betreffend. Die DVD-Edition ist exzellent. Sie enthält ausführliche Extras inc. Interviews mit renommierten Philosophen, Medizinern , Sektenforscher, die das Phänomen „TM“ in seine zum Teil bestürzenden, zum Teil ernüchternden Bestandteile zerlegen. Das Geschäft mit der Erleuchung! Manche Episopden sind fast tragikomisch (z.B. wenn der deutsche TM-König sich in Berlin als guter deutscher König präsentiert, der das Land unbesiegbar machen möchte). Die Interviews beginnen stets mit Anklängen an die berühmte Twin Peaks-Musik von Angelo Badalamenti. Der Regisseur verrät im Making of-Interview, dass er sich mitunter fühlte wie der Doughnuts verspeisende Detektiv in der Mystery-Serie.


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