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Archives: Die Frau auf dem Dach

Manchmal schreibe ich auf die Vorderseite eines Buches ein paar Zahlen: Monat und Jahr, in dem ich begonnen habe, es zu lesen. Bei diesem Buch habe ich es nicht gemacht. Genau gesagt sind es zwei Bücher mit Erzählungen von Doris Lessing und ich erinnere mich daran, dass ich sie in einem Antiquariat entdeckt habe, ich war wahrscheinlich Mitte bis Ende Zwanzig. Es sind richtige, gebundene Bücher, wie ich sie selten kaufe, mit einem Einband und einem gestalteten Cover. Im Inhaltsverzeichnis des Bandes „Die Frau auf dem Dach“ habe ich drei Überschriften angestrichen. „Zimmer neunzehn“, das ist ein guter Titel für eine Erzählung. Ich erinnere mich an C., die eine Geschichte schrieb, über die wir diskutierten, sie trug den Titel „Im zweiten Stock“. Da entsteht gleich ein Bild, aber es bleibt mysteriös. „Zimmer neunzehn“ ist noch konkreter als „Im zweiten Stock“. Es entsteht ein klareres Bild, und zwar das eines Hotelzimmers, jedenfalls eines gemieteten Raums. „Dies ist eine Geschichte, nehme ich an, über ein Versagen der Vernunft.“ So fängt es an und es geht ums Ganze, nämlich um die Lebensgestaltung und wie eine Frau sie mit einem Partner hinbekommt. Es ist lange her, dass ich die Geschichte gelesen habe, und ich will sie jetzt nicht noch einmal lesen, denn es passiert selten, dass etwas so einschlägt wie es diese Geschichte bei mir getan hat, und das ist in der Erinnerung interessanter als es bei einer erneuten Lektüre sein könnte, wenn ich den Text jetzt auch ein wenig überfliege. Worum geht es im Leben, was ist wichtig, und wie gestalten wir es konkret? Welche Bedeutung hat die Arbeit, ein Beruf, eine sonstige Beschäftigung, Freunde, ein Partner, vielleicht eine Familie, das Eingebundensein in etwas Größeres? Was macht überhaupt Sinn? Und bei allen Schwierigkeiten, die schon damit verbunden sind, ein berufliches Ziel zu verfolgen: Es gibt etwas, was stärker ist als Planung. Es sind Strukturen, die einfach da sind, vor uns, und die wirken, in uns allen, und denen wir zum Teil auch ausgeliefert sind. Ich liebe es, in Büchern Anstreichungen zu machen, ein Buch mit meinen Anstreichungen ist für mich viel wertvoller als ein neues Buch, und angestrichen habe ich unter anderem diesen Satz: „Er war wie andere Ehemänner geworden, sein wirkliches Leben spielte sich ab in seiner Arbeit“ (…). Und wie fing es an? Beide hatten gut bezahlte Berufe. Susan oder später dann Mrs Rawlings, war sie nicht eine kluge Frau, reflektiert, sinnlich und mit Stil? Was ist ein Grund zum Leben? Die Geschichte hat keine fünfzig Seiten, und auf einmal finden wir uns in Rollen, in denen wir uns gefangen fühlen. In Zimmer neunzehn passiert nicht das, was es suggeriert. Sie wollte einfach nur glücklich sein. Ich habe versucht, ein paar Konsequenzen daraus zu ziehen. Die Erzählung selbst benötige ich nicht mehr dafür. Zimmer neunzehn ist präsent.


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