Manafonistas

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2017 13 Nov

Herr Pilz und „Die Obstdiebin“

von: Manafonistas Filed under: Blog | TB | 9 Comments

 

Wer dieser Tage bei Gregor über die grosse Leiter ins Labor der Radios und Jukeboxen einsteigt, hat  natürlich zuvor die Lage gesichtet, und sicher gestellt, dass niemand zuhause ist – kleine Beutestücke, Singles, LP’s, Tonabnehmer, Erstauflagen der 68er-Klassiker, könnten in Windeseile den Besitzer wechseln, und später, als Hehlerware, verschachert werden. Umso verwirrter wird der mutmassliche Eindringling dreinschauen, wenn er sich plötzlich alles andere als allein wähnt und sein alter ego, sein weibliches Pendant, vorfindet, nämlich eine „Obstdiebin“, die schon Äpfel umd Birnen von prall gefüllten Tellern eingesammelt hat. Fassungslos ergreift unser Tagedieb die Flucht.

 

Zwar nicht direkt, dafür indirekt umso direkter erklärt Rezensent Dirk Otto Pilz seine Hochachtung für Peter Handke und sein neues Epos, indem er sich in seiner poetisch tönenden Rezension Handkes herrlich „himmelhebende“ Sprache anzuverwandeln scheint, und das ganz mehrdeutig, denn um Verwandlung geht es dem gestandenen Autor unter anderem und einmal mehr in der Geschichte seines Ich-Erzählers, der sich schon zu Anfang ohne Umschweife als Autoren-Ich offenbart und sich zu späterem Zeitpunkt mit einer zweiten Figur, einer „idealischen“ und selbstkritisch witzigen, zusammentut, als Ehepaar, als Geschwisterpaar, als zwei in eines verwandeln sie sich ineinander und auseinander, recht verwirrend für den Leser der Rezension, sich „verirren“ bedeutet aber schließlich bei Handke die Verwandlung und das Verirren bedeutet erleben, also leben, lesen wir. Es ist jedoch die Art, wie Verwandlung hier thematisiert wird, die Meister Pilz besonders interessiert, denn sie unterscheidet sich von früheren Arbeiten Handkes. Zunehmend erscheint das sich Verwandeln und das Schreiben selbst als eine Hinauf- und Hinaus-Bewegung aus der Welt, als „Weltflucht“, ein Begriff, der für den Rezensenten jedoch, wir ahnen es, in diesem Fall nicht unbedingt negativ besetzt ist. So scheint aus einer „einfachen Fahrt ins Landesinnere“ geradezu eine „Himmelfahrt“ zu werden. Ein Element von „mystery“ ist dem umfangreichen Erzählwerk durchaus zueigen, obwohl sich Handke den meisten  landläufigen Topoi des Genres verweigert.

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9 Comments

  1. Gregor:

    Niemals wollte ich hier über Handke schreiben. Anyway, das Buch liegt seit Samstag auf dem Tisch – ich gebe es zu -, große Freude. Allein, mir fehlt die Zeit, es gründlich zu lesen, erst in den Weihnachtsferien dann. Kritiken lese ich bis dahin eigentlich nicht. Vielleicht später ein Kommentar zum Buch an dieser Stelle?!

  2. Michael Engelbrecht:

    Du glaubst doch nicht, das sei eine echte Kritik hier, von einem gewissen DIRK O. PILZ !?!?!? :)

  3. Gregor:

    Natürlich nicht. Ich spiele das Spiel nur so gerne mit.

    Glaubst du an die Jukebox in Hörnum??? Ich schon. Die gibt es und den Juke-Box-Man auch!

  4. Michael Engelbrecht:

    Erinnere dich, ich war schon da.

    Prinzipiell kann man ja immer eine Handkerezension vorab lesen, es gibt ja keine Art von Handlung, die v e r r a t e n werden könnte.

    Ich glaube, die Besprechung von Dirk O. Pilz wurde zu Karnevalsbeginn in der Frankfurter Rundschau veröffentlicht, am 11. 11. um 11.11 Uhr.

    Ganz nüchtern scheint der Rezensent beim Verfassen seiner Gedanken nicht gewesen zu sein, er hatte wohl den einen und anderen OBSTLER (😂)intus.

  5. Gregor:

    Den Eindruck habe ich auch, was den OBSTLER angeht.

    Das mit der Handlung und dem Verraten, hey, du willst mich wohl schon wieder aus der Reserve locken, provozieren. Nix da, Gregor, bleibe hart!

  6. Michael Engelbrecht:

    Ich tippe auf Mirabellenobstler.

    Die Qualität eines Obstbrandes hängt ja wesentlich von der Qualität der verwendeten Früchte ab, Gregor, aber wem erzähl ich das. Dem mutmasslichen Herrn einer Schnapsbrennerei im hohen Norden.

    Je höher der Zuckergehalt, klar, Alter, desto größer ist die Alkoholausbeute. Unreife, faule, verschimmelte und schlecht ausgebildete Früchte sind nicht geeignet. Diesen Fusel kriegst du billig am Kiosk um die Ecke. Bin mir nicht sicher, ober Herr Pilz sich da was besonders Edles reingezwitschert hat.

  7. Gregor:

    Vielleicht den von der Firma SCHEIBEL: Altes Pflümle. Klasse!

  8. Lajla:

    Ja Gregor, bleib hart. Handke ist auch ungelesen eine Garantie für Sprachgenuss. Ich lese ihn auch erst in der stillen Weihnachtszeit. Wer die „Niemandsbucht“ kennt, weiß um das leise literarische Plätschern.

  9. Michael Engelbrecht:

    Mit dem Manamory-Spiel haben wir die Weihnachtszeit ja schon vorverlegt. Jeder freut sich über neue Texte, und es macht Spass, diese Manamories als überraschende Dejavues zu erleben.

    Das ist mal eine schöne Frage, was tun wir zwischen Weihnachten und Neujahr?

    Da ich dann wohl schon Twin Peaks Season 3 gesehen haben werde, wenn das Leben ruhig verläuft, ist wohl mal wirklich die Zeit für einen wundervollen Schmöker gekommen, Andreas Nohls Neuübersetzung der beiden Romane mit Tom Sawyer und Huckleberry Finn. Sowas, Glühwein und Kaminfeuer, ganz klassisch. Wie hiess noch meine Lieblingsfigur in Lost? Sawyer!


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