Manafonistas

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2017 9 Jun

Zwei Mal Montauk

von: Martina Weber Filed under: Blog | TB | 5 Comments

„MONTAUK

ein indianischer Name, er bezeichnet die nördliche Spitze von Long Island, hundertzehn Meilen von Manhatten entfernt, und er könnte auch das Datum nennen:

11.5.74″
 

Ich war mir nicht sicher, ob ich das Buch noch hatte, aber es war noch da. Großartiges Umschlagfoto: Max Frisch Anfang / Mitte der 70er in New York, fotografiert von Jürgen Becker. Eine Straßenszene, Max Frisch schaut zur Seite, eine Ampel ist grün (aber schwarzweiß), ein paar unentschlossen wirkende Passanten. Wunderbar grobkörniges Fotopapier. Selbst die Wolkenkratzer wie aus einer Traumkulisse, weich. Solche Fotos möchte ich machen.

 
„MY LIFE AS A MAN

heißt das neue Buch, das Philip Roth gestern ins Hotel gebracht hat. (…) Ich möchte wissen, was ich, schreibend unter Kunstzwang, erfahre über mein Leben als Mann.“

 

Gelingt es mir, mich festzulesen? Ich überfliege Passagen, die ich bei meiner Lektüre vor Jahren angestrichen habe: „Heute interessiert es mich nicht einmal mehr, was W. über unsere lange Geschichte denkt. Das vor allem macht mich betroffen. Ich meine, daß die Freundschaft mit W. für mich ein fundamentales Unheil gewesen ist und daß W. nichts dafür kann. Hätte ich mich ihm weniger unterworfen, es wäre ergiebiger gewesen, auch für ihn.“

 
[no audible dialogue]
 

Es ist eine schonungslose Selbstreflexion, auf allen Ebenen. Der Vorwurf, den ihm eine kluge Frau gemacht hat: Dass er zehn Jahre lang nichts zu ihrer Selbstverwirklichung beigetragen hat. – Wann sind Beziehungen interessant?

 

Ein anderes Montauk – die Brandung am Nordstrand, das Restaurant Lobster Roll, die Straße im nächtlichen Wald, getaucht in blaues weich gezeichnetes Licht. Willkommen am Ende der Welt. Montauk ist – neben New York – Schauplatz der TV-Serie „The Affair“, deren 2. Staffel es in Jochens Liste der Favourites geschafft hat. Eine Ermittlung in einem Todesfall, Verhöre in der Rahmenhandlung und die Story im Rückblick, ein Beziehungsgeflecht ohne Chronologie, erzählt aus zwei Perspektiven und in einer grandiosen und völlig unberechenbaren Spannungskurve, zunächst auch was die Frage angeht, welcher Todesfall untersucht wird. Am Ende der zweiten Staffel, in der die Zahl der Perspektiven auf vier erweitert wird, ist der Gerichtsprozess an seinem Höhepunkt. (Hier können Sie eine Pause einplanen.) So ganz aufgelöst ist die Bedeutung des düsteren Trailersongs jedoch noch nicht. A song about family. Wow, und wie Scotty „There is a house in New Orleans“ singt, auf einer kleinen Bühne, vor rot beleuchteten Gardinen. Don´t ruin this fucking day for me, okay?

This entry was posted on Freitag, 9. Juni 2017 and is filed under "Blog". You can follow any responses to this entry with RSS 2.0. Both comments and pings are currently closed.

5 Comments

  1. uwe Meilchen:

    Eine neue Schlöndorff Verfilmung, irgendwie angelehnt an MONTAUK von Max Frisch kommt jetzt ins Kino, die HOMO FABER Verfilmung aus Anfang der 1990iger, mit Julie Delphy und Sam Shepard hatte m. E. die Charaktere nicht zum Lebem erweckt; alles blieb sehr papieren – und es ist auch die Frage wie man ein Buch wie MONTAUK, dass fast nur aus innerer Reflexion des Erzählers besteht, überhaupt verfilmen kann. (Und sollte, dass auch!)

  2. Martina Weber:

    Vermutlich werden viele Textpassagen aus dem Off eingespielt. Ein reflektierender Erzähler, ein Flaneur. Vielleicht kehrt er ins Lobster Roll Restaurant ein und bestellt den Klassiker, den auch Noah Solloway bei seinem ersten Besuch dort geordert hat: die Lobster Roll.

  3. Jochen:

    „Gelingt es mir, mich festzulesen?“ – das ist eine gute Frage. Immer wieder erstaunlich, wann und warum das Interesse „zündet“. Bei The Affair zündete es schnell, nach anfänglichen Vorbehalten. Schaute gerade die ersten Episoden dieser Serie zum wiederholten Male – ein Novum. I had been fallen in love with at least half a dozen actors and (of course): with Montauk.

  4. Martina Weber:

    Das ging und geht mir genau so, in allen Punkten. Mich hat die Erzählsperspektive gereizt und ich finde sie in der filmischen Umsetzung noch viel besser als erwartet. Hast du schon die 3. Staffel gesehen? Ich mache jetzt erstmal eine Pause.

  5. Jochen:

    Saw it completely, no breaks or bingewatching. An Apple a day kept the doctor away.


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