Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

2016 27 Mai

Herzlichen Glückwunsch, Moondog (1916 -1999)

von: Wolfram Gekeler Filed under: Blog | TB | Tags:  3 Comments

 

 
 
 

Gestern wäre der amerikanische Musiker, Komponist, Autor, Instrumentenbauer und Philosoph Moondog (= Louis Thomas Hardin) 100 Jahre alt geworden. Da ihm aber die Zahl 9 symbolisch von besonderer Bedeutung war, erschienen eine Festschrift und eine CD bereits vor einem Jahr zum 99. Geburtstag. Das Buch – herausgegeben von Arne Blum und Wolfgang Gnida (der auch die spannend informative Website „moondogscorner.de“ betreibt) – ist sehr schön aufgemacht mit vielen Fotos, Texten, Noten, einer Biographie, musiktheoretischen Beiträgen und persönlichen Erinnerungen. Moondog’s corner war lange Zeit die New Yorker Straßenkreuzung 6th Avenue und 52nd Street; dort stand er in einem Wikingerkostüm und verkaufte seine Musik, Lieder und Gedichte; wohl gab ihm als nach einem Lausbuben-Dynamit-Unfall Erblindeten die bekannte Gegend Sicherheit. Ein Fels in der Brandung, ein Riese mitten im New Yorker Verkehr, und mehrmals am Tag fährt Robert de Niro in seinem Taxi vorbei – so habe ich ihn mir vorgestellt, ohne YouTube, vielmehr wie immer gut versorgt mit (kurzen) Informationen von den Radiophon-istas um Achim Hebgen, Harry Lachner und Francis Gay. Die Sendung Radiophon gibt es schon ewig; es ist eine der seltenen am Mixtape-Prinzip orientierten, nicht spartengebundenen Sendungen – gewidmet, so der Untertitel, der Musik aus Klassik, Jazz, Rock und Grenzgebieten. Und in diesen Grenzgebieten bewegt sich die Musik von Moondog, unverwechselbar und immer auch etwas rätselhaft. Der Klassik entspricht das exakte Ausnotieren, das strikte Einhalten von Regeln (des Kontrapunktes, des Kanons, der Tonalität). Zur Improvisation erhält der ausführende Musiker keine Erlaubnis. An Jazz erinnert dagegen der oft akzentuierte Rhythmus, irgendwie swingend. Moondog beschäftigte sich auch mit der Musik der Indianer und baute Trommeln. Er war mit Musikern aller Genres befreundet. Auf Philipp Glass, Steve Reich und die minimal music hatte er wesentlichen Einfluss. Aber auch die Schattenseiten dieser Musik zeigten sich hier wie da: wird sie nicht abwechslungsreich dargeboten, wie dies auf der Jubiläums-CD gut gelungen ist, dann kann es auch mal langweilig oder gar nervtötend werden – wer einmal Michael Nymans Filmmusik ohne Film angehört hat, weiß was ich meine. Die vielen noch nicht aufgeführten Kompositionen warten nicht nur auf werktreue Aufführungen; man darf auf die Coverversionen gespannt sein, die entstehen werden. Das erste Moondog-Cover ist vermutlich „All is loneliness (before me)“ mit Janis Joplin und Big Brother and the Holding Company (unbedingt in der langen Version anhören). Mitten im Stück wandelte Janis Joplin den Text um: „No more loneliness before me“. Optimistisch. Moondog zeigte gemischte Gefühle: er ärgerte sich über nicht dem Original entsprechende Phrasierungen, zeigte sich aber über das Interesse des jungen Publikums an seiner Musik hoch erfreut. Bei moondogscorner.de gibt es ganz neu die Noten zur CD. Vielleicht ist Moodog mit 100 Jahren nicht mehr so streng – falls die Kompositionen das Klavier zum Swingen bringen.

This entry was posted on Freitag, 27. Mai 2016 and is filed under "Blog". You can follow any responses to this entry with RSS 2.0. Both comments and pings are currently closed.

3 Comments

  1. Michael Engelbrecht:

    Always my favourite Moondog album, called MOONDOG (1956, Riverside)

    „By the standards of the mid-’50s, or indeed or any era, this was so far-out and uncommercial that it’s difficult to believe it was even released. Moondog, by this time well known as a New York street musician, drives these pieces along with maraca and clava percussion, often in odd time signatures.

    The percussion lines are the backbone for unusual melodies, often Asian- or Japanese-inspired, with a movingly mournful (but not unappealing) quality. Washes of wind-like sounds and animal noises are often used to embellish the pieces. Bits of „Tree Trail“ and „Frog Bog“ even come close to exotica, but this ain’t no Martin Denny (who, of course, was also using frog noises on record around this time).

    Moondog’s music is much less frivolous in intention, and the round-like repetition that flavors all his work is present through most of this disc. To add to the unpredictability of the proceedings, there’s a Japanese lullaby (sung by Moondog’s wife Suzuko), a percussive duet between Moondog and tap dancer Ray Malone, tribal/Cuban drum passages.

    And a „Street Scene“ track that mixes Moondog’s drums and poetry with Manhattan traffic. All very enigmatic yet attention-holding stuff, ripe for discovery by new generations that will appreciate his defiantly idiosyncratic mix of styles“ (allmusic)

  2. Michael Engelbrecht:

    Michael Nymans Filmmusik kann auch mit Film öde sein, man denke nur an den vielgerühmten Film Das Piano. Besser wär das Klavier von Anfang an im Meer versunken. Grauenhaftes Geklimper. Überschätzter Film, wenn man mich fragt.

  3. Wolfram Gekeler:

    In moondogscorner.de fand ich unter Discography>Various Recordings eine beachtliche Liste von Aufnahmen der Werke Moondogs, u.a. von Stephan Eicher, Lovechild, Joanna MacGregor, Janis Joplin, Stefan Lakatosa und vom Kronos Quartett.

    Außerdem gibt es „Tribute“-CDs, darunter eine aus Japan. Nicht zu vergessen die Techno-/Disco-Versionen von Mr Scruff.


Manafonistas | Impressum | Kontakt | Datenschutz