Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

2016 27 Mai

Ein Treffen mit Uta

von: Jochen Siemer Filed under: Blog | TB | Tags:  3 Comments

Sobald es um TV Serien geht, redet Uta wie ein Wasserfall. Treffe ich mich mit ihr, ist der Smalltalk, was sehenswerte Filme betrifft, stets kurzweilig und informativ. Sie arbeitet als Chefredakteurin eines Szenemagazins in unserer Stadt. Von diesen Produktionen aus Amerika beginnt sie zu schwärmen, sobald man ihr die Triggerfrage stellt: „Was schaust du denn gerade so?“ Gleich drei ihrer zuletzt favorisierten Serien spielten in Los Angeles und alle seien gut: Love, Bosch und Transparent. Erstgenannte sei die Geschichte eines akademischem Filmnerds und einer psychisch Angeknacksten – und weil Borderline im Spiel sei, seien auch Unliebesspiele nicht weit. Dann Bosch, der – wie Uta selbst auch – Jazzkenner sei. Vom guten alten Rollins ist die Rede, den der Held, der auch Hieronymos heisse, hier allerdings Cop sei und nicht Kunstmaler, liebevoll Sonny nenne, so als sei dies ein persönlicher Freund. Die Serie sei schon dieser Wohnung wegen sehenswert, in der er residiere. Wer sah, wie Bosch des Nachts im eigenen Hause Whiskey trinkend, melancholisch reflektierend, untermalt von feinem Jazz über L.A. geschwebt sei, wisse, woher die Engelsstadt den Namen habe.

Beim Schauen von Transparent habe Uta Lust verspürt, mal wieder Musik von John Zorn zu hören, weil dieses jüdische Milieu eine ähnlich spritzige Vitalität ausstrahle wie der Sound des quirligen Jazzsaxofonisten. Auch Transparent spiele in Los Angeles. Der Vater der Familie sei Politikwissenschaftsprofessor. Die älteste Tochter mache als verheiratete Frau mit Kindern nun Entdeckungen im Bereich der lesbischen Liebe und in Spielformen des Sadomaso. Der Sohn sei Musikmanager und, wie Uta meint, ein selbstbezogener, hohler Typ. Die jüngste Tochter sei auf ewigem Selbstfindungstrip, der sie nun endlich auch in lesbische Gefilde führe, nachdem sie erstaunliche Dinge mit schwarzen, hippen Fitnesstrainern ausprobierte. Der Clou aber: Daddy oute sich als jene Frau, die er immer schon sein wollte. Das habe Folgen. Im Vorspann, jenem Super-Acht-Bildflickern, das an Klassenfahrten, Feste und Fotoalben denken liesse und untermalt sei von Klängen, die an Erik Satie erinnerten, würde auch jene Zeit im Berlin des Nazideutschland angedeutet, in der Alles seinen Anfang nahm.

Es gibt ein neueres Wort, das Uta nicht gerne benutzt, weil es so hässlich klingt und dieses Wort besagt, dass Inhalte eines Filmes, Spannungsmomente der Handlung voreilig ausgeplaudert werden – und so verschweigt sie anstandshalber Vieles. Entscheidend sei, dass Serien Spass machten, lehrreich und unterhaltsam seien, Gesprächsstoff böten und in vielfach unbekannte Human-Biotope führten. Family, Beziehungskrisen, Sex seien stets dabei, mit oder ohne crime, in allen Formen und in Transparent besonders krass. Das werde aber unaufdringlich, warmherzig und liebevoll erzählt und so fühle man sich irgendwie mit allem empathisch verbunden. Der „transparente“ Vater entwickele eine unglaubliche Würde, ohne dabei in seinem Outing auch nur annähern heldenhaft dargestellt zu werden. Seine Irritationen blieben, etwa auf einem Sommer-Frauen-Camp. Hier nämlich zeige sich die Differenz: ob transitive Männer zuweilen neidisch seien auf „echte“ Frauen? Gebären könnten sie ja immerhin nicht. Hmm, möglich wär´s, entgegne ich und merke mir die Serien vor auf meiner virtuellen watchlist – und die Musik von John Zorn und Satie dazu.

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3 Comments

  1. Wolfram Gekeler:

    Da bin ich froh, dass mein Fernseher sich in Rauch verwandelt hat …

  2. Lajla:

    Ich bin vollkommen serienfrei, könnte also gar nicht mitreden,
    nur einwerfen – wir sind in Buschtown -: „Warum ist der Mensch so lecker?“

  3. Michael Engelbrecht:

    Transparent is oh so fucking beautiful, sad and touching. Bosch is a classic old-fashioned detective story, good. Love: I only saw ten minutes, not for my pleasure.

    But now on my agenda:

    HAP AND LEONARD (based on books by Joe R. Lansdale) – season 1 …


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