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2016 26 Jan

Ein Lob auf den Western (remix)

von: Michael Engelbrecht Filed under: Blog | TB | 8 Comments

Es war ja nur ein kleiner Dialog unter Filmfreaks, aber er klang nach. Ein Freund nordischer Musik, Mr. Biermann, erwartet von Quentin Tarantino, nach dem entfesselten Django, kein Meisterwerk, aber er sei gespannt auf die Roadshow-Version seines neuen Westerns. Ach, Meisterwerke gebe es ja genug, antwortete ich, und da ich eine gewisse Schwäche für klassische, uralte, moderne und postmoderne Western habe, kann ich die Darbietung in der Essener „Lichtburg“ kaum erwarten. Es wird, ich ahne es, archaisch. Und dieses schöne, lang vergangene Bildformat.

Ich komme dem Entstehungsjahr eines alten Farbfilms oft recht nah, wenn ich nur die Farbwerte des Himmels sehe. Das sind Dinge, die man aus der Kindheit mitnimmt, Faszinationen, die später angenehme Dejavues produzieren, und manchmal einen alten Schauer, weil dann auch „12 Uhr Mittags“ bei einem Rotwein seine Wirkung tut. Immer noch. Oh, my darling Clementine, Shenandoah, Staubwolken und Schlussakkorde! Der erste Film, den ich allein sah, im Kino, nachmittags (woher weiss ich noch, dass es ein Sommertag in der Harkortstrasse war?), war „Sie nannten ihn Pferd“ (oder hiess er „Hombre“?).

Die Tiefe von Berührung und Ergriffensein hängt m. E. keineswegs ab von der Zugehörigkeit zu den „100 Meisterwerken der Filmgeschichte“. Der Zauber rührt anderswoher, und wenn mich ein Film gefangen nimmt, rutsche ich im Kinosessel in eine tiefe Trance, werde irgendwohin transportiert, und bleibe erstmal dort. Manchmal macht der Sound 60% eines guten Films aus. Jetzt wird es Zeit für Tarantino und die „Roadshow-Version“, für den orchestralen Morricone und den alten weissen Himmel über der grossen Schneewelt. Und ich ahne es, ich werde nicht enttäuscht. Der letzte fabelhafte Western, den ich sah: „Slow West“. Und gerne mal wieder „Silverado“. Oder „The Glorious Seven“:  “It’s only a matter of knowing how to shoot a gun. Nothing big about that.”

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8 Comments

  1. ijb:

    Der Kommentar, dass ich kein „Meisterwerk“ erwarte, war eher entwaffnend gemeint, um anzudeuten, dass ich nicht zu den „Tarantino-Jüngern“ zähle, für die ein neuer Film vom großen Quentin das Kinoereignis des Jahres bedeutet. Ich bin kein Fan, sehe die Filme aber meist mit einigem (mal mehr, mal weniger) Interesse, lasse mich gern überraschen, um zu sehen, was der gute Quentin diesmal wieder zu bieten weiß. Sozusagen mit einer gesunden Distanz und einem halb cineastischen, halb professionellen Blick als Filmliebhaber und gelernter Regisseur. Keiner seiner Filme wurde bislang zu einem persönlichen „Lieblingsfilm“. Manchmal bin ich dann gepackt, manchmal nicht. Auf jeden Fall kann ich eingestehen, dass der Mann, wenn er gut ist, dann wirklich ein guter Regisseur ist. Dass mich nicht immer interessiert, wovon er erzählt, steht auf einem anderen Blatt …

    Rückblickend muss ich wohl sagen, dass mir die Hälfte seines Werks Vergnügen bereitet, auch beim Wiedersehen. Und mich die andere Hälfte langweilt. Diese Gewaltexzesse langweilen mich einfach, wenn sie einfach nur der Gewaltfaszination wegen inszeniert werden, aber ihnen die erzählerisch-emotionale Aufladung wie einst in „Pulp Fiction“ oder „Reservoir Dogs“ fehlt. Quentins Filme sprechen mich dann an, wenn es um etwas Menschliches geht und emotional involvieren, wie in „Jackie Brown“ oder „Inglorious Basterds“. Die Comicnummern oder Rachefantasien lassen mich kalt. „Django“ lag so auf der Kante, unterhaltsam, teils witzig, teils ernst, aber einfach zu lang. Bei „The Hateful Eight“ geht es um gar nichts. Keine Figur interessierte mich oder meinen Begleiter auch nur die Bohne, und die Stimmung im Publikum schien ebenso zu sein. Die Dialoge sind unglaublich zäh und haben kaum Witz oder Charme. Man merkte, wie die Leute dankbar jeden noch so halbherzigen Gag quittierten, doch zumeist machte sich eine eher gelähmte Stimmung im Saal breit. „Pulp Fiction“ bzw. „Groschenromane“, auf die sich QT’s Werk ja seit jeher bezieht, kann durchaus etwas für sich haben. Aber es sollte halt wenigstens unterhaltsam sein (siehe „Banshee“ oder Werner Herzogs „Bad Lieutenant“).

    Hier war der Unterhaltungswert geradezu verschwindend gering gegenüber dem Aufwand der Macher und der investierten Lebenszeit und Kinoeintritte. Und, auch wenn ich sonst gar nicht zu den Leuten gehöre, die jammern „Früher war er/sie einfach besser“ oder „Das hat er alles schon mal gemacht“ – hier erweckte leider jedes Erzählelement den müden Anschein, ein Zitat oder Plagiat aus einem früheren Tarantino-Film zu sein [bis hin zu solchen Elementen wie dass Samuel L. Jackson beim Drohen mit der Waffe endlos lange über Essen palavert (ich dachte noch, wie lustig wäre es gewesen, wenn er aus Versehen seinen Text aus „Pulp Fiction“ aufgesagt hätte)]. Was insofern (schon nicht mehr) ironisch ist als QT-Filme seit jeher eine wesentliche Qualität aus dem Zitieren anderer Filme zieht. Nimmt man bei „Hateful 8“ an, dass hier eine Art Agatha-Christie-Western gedacht war, kann man nur einwenden: Bei Agatha Christie ging es um Suspense.

  2. Michael Engelbrecht:

    Ich „husche“ ja immer nur über Filmkritiken, bevor ich Filme sehe. Bin auch über deine jetzt nur gehuscht – genaueres Lesen nach dem Film.

    Hier die Stimme eines Faszinierten …

  3. Uwe Meilchen:

    Im neuen deutschen ROLLING STONE ist ein (bereits seit Oktober 2015 !! online zufindendes) Gespraech dass Bret Easton Ellis mit Tarantino gefuehrt hat. Werde einmal den Soundtrack zu „Hateful 8“ antesten, weil: der grosse Ennio Morricone ist „da“ mit von der Partie.

  4. ijb:

    Oh, Verzeihung, ich dachte, die Vorführung in Essen wäre ebenfalls gestern gewesen. Da bin ich mit den Wochentagen durcheinander gekommen. Ja, Peter Bradshaws Meinung habe ich auch schon mitbekommen. Es ist etwas wunderlich in letzter Zeit mit dem Herrn. War auf seine Meinung früher nahezu blind Verlass, hat er zuletzt irgendwie allen Filmen, die er gesehen hat, fünf Sterne vergeben.

    Mein Freund und kontinuierlicher Kinobegleiter (der, in England aufgewachsen und selbst Schreiberling, ist selbst ein großer Verehrer von Peter Bradshaw) hat sich zuletzt auch schon gewundert, was mit dem Herrn los ist; z.B. bei seiner „Star Wars“-Besprechung musste man sich wirklich wundern.

    Anderseits speist er dann ausgerechnet einen wirklich famosen, zu Recht Oscar-nominierten Film wie „The Big Short“ [wogegen es uns nach gestern gar nicht wunderte, dass „Hateful Eight“ nicht so mit Nominierungen bedacht wird wie frühere QT-Filme] mit gerade mal zwei Sternchen ab.

  5. ijb:

    Als Nachtrag ein Kommentar des erwähnten Freundes, Filmbegleiters und Bradshaw-Folgers:

    zum ersten Mal find ich Mark Kermode treffender. Übrigens interessant was er über die Musik zu sagen hat:

    Elsewhere, Morricone’s original score is augmented by cues he wrote for John Boorman’s frightful Exorcist II: The Heretic and John Carpenter’s underrated The Thing (a tauter Kurt Russell thriller about snowbound, paranoid claustrophobia), while actor-musician David Hess’s haunting ballad Now You’re All Alone is photocopied in from the soundtrack of Wes Craven’s infamous The Last House on the Left.

    theguardian.com/the-hateful-eight-review-quentin-tarantino-mark-kermode

  6. Michael Engelbrecht:

    Hochinteressant. Ich glaube ja erst mal keiner Filmkritik :) – mit Peter Bradshaw bin ich so oft einer wie keineswegs einer Meinung! Die Uraufführung in Essen, keine Ahnung, ich muss die Reise eh etwas verschieben.

  7. Michael Engelbrecht:

    P.S.: Oscar-Nominierungen sind aber nun wahrlich kein Qualitätssiegel.

  8. ijb:

    Thema Oscar: Na klar, nicht zwingend. Sind natürlich eher ein Indiz dafür, ob die Filme mit einem gewissen Grad an Publikumswirksamkeit gemacht wurden.

    Doch zumindest in den Kategorien Drehbuch und Regie kann man immerhin anerkennen, dass die Leistungen der Nominierten fast immer handwerklich zumindest überdurchschnittlich sind (über Geschmack lässt sich streiten, klar). Dass in diesem Jahr eine der herausragendsten Regieleistungen (Todd Haynes mit „Carol“) übergangen wurde, muss man angesichts der Nominierungen fast als Beleidigung werten.

    Davon abgesehen sind die Nominierten bei „Directing“ und „Original Screenplay“ in diesem Jahrgang auf einem sehr hohem Niveau und von künstlerischer Souveränität (auch wenn ich die Entscheidungen geschmacklich nicht unbedingt teile, z.B. Iñárittu), so dass mich nicht wundert, dass Tarantino für seine „Hateful 8“ nicht bedacht wurde. Nur das wollte ich sagen.

    Ich würde fast wetten, dass Tarantino in ein paar Jahren selbst sagen wird, dass dem Film eine Straffung sehr gut bekommen wäre. Auch weil manche Dialoge sich einfach viel zu lange ohne Punkt hinziehen. Dass er als Filmemacher alle Freiheiten hat, wie sie viele andere Kollegen nie im Leben, finde ich aus filmkünstlerischer Sicht natürlich prinzipiell begrüßenswert.


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