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2015 3 Aug

Gregor öffnet seinen Bücherschrank

von: Gregor Mundt Filed under: Blog | TB | 4 Comments

Eigentlich wollte ich endlich einmal wieder den Plattenschrank öffnen, aber jetzt kamen die Literaturlisten der Kollegen dazwischen – hätte nicht viel gefehlt und ich hätte mich beteiligt, ein anderes Mal vielleicht. Aber eine Anmerkung nun doch: In diesen Listen fehlt nämlich ein großer, ein wichtiger Name: Peter Rühmkorf. Nun möchte ich mich jetzt nicht über das Werk von Rühmkorf auslassen, sondern lediglich auf ein Buch aufmerksam machen, das im Frühjahr dieses Jahres im Wallstein-Verlag erschienen ist: Marcel Reich-Ranicki / Peter Rühmkorf: Der Briefwechsel.

 
 
 


 
 
 

Dass Rühmkorf mit Reich-Ranicki einiges zu tun hatte, war mir schon bekannt, nur, ich habe es eben erfolgreich verdrängt, konnte ich doch mit dem Großkritiker nie wirklich viel anfangen (vorsichtig ausgedrückt). Neugierig geworden, erwarb ich das Buch in der wunderbaren Autorenbuchhandlung in München. Inzwischen habe ich den Band gelesen und bin begeistert. Rühmkorf schreibt nicht nur wunderbare Gedichte, Märchen und Tagebücher, sondern vor allem betreibt er eine Briefkultur auf allerhöchstem Niveau. Mit den fast 300 Briefen, die zwischen 1972 und 2006 entstanden sind und sich in diesem Buchen finden – übrigens, hervorragend ediert – kann der Leser nicht nur das Verhältnis zweier Menschen, die unterschiedlicher nicht sein können, verstehen lernen, nein, er kann sich mittreiben lassen auf den Wogen der Literatur- und Zeitgeschichte dieser Jahre. Der Grundaufbau des Briefwechsels folgt fast einem festem Ritual: Reich-Ranicki, Förderer des von ihm anerkannten, ja, bewunderten Dichters, bietet Rühmkorf eine Besprechung, eine Kritik, eine Rezension eines Werkes für die FAZ an oder bittet um die Mitarbeit an der „Frankfurter Anthologie“. Rühmkorf nimmt das Angebot an oder bittet um die Möglichkeit der Besprechung eines anderen Buches, das dem Meister dann aber vielleicht nicht ins FAZ-Konzept passt usw. Oft passiert dann folgendes: Rühmkorf kann nicht pünktlich liefern, Reich-Ranicki kocht, Rühmkorf, immer ruhig, stets gelassen, liefert, aber vielleicht einen zu langen Text. Reich-Ranicki außer sich, schreibt zurück, die Bedingungen seien doch besprochen etc. –

Natürlich fiebert der Leser dem Moment entgegen, dem entscheidendem Sommer 1995, als Reich-Ranicki Ein Weites Feld von Günter Grass, sowohl im SPIEGEL, als auch im Literarischem Quartett verriss. Immerhin existierte eine enge Freundschaft zwischen Grass und Rühmkorf. Und tatsächlich, Rühmkorf kündigt mit dem Brief vom 27.08.1095 die Freundschaft auf, ja, noch mehr, er sagt auch jede weitere Mitarbeit ab und das mit den Worten Bartlebys (siehe die Erzählung von Herman Melville): „Ich möchte lieber nicht!“ Wie es dann weitergeht, möchte ich hier jetzt nicht schreiben, habe ich doch schon mehr als genug verraten.

Größte Freude bereitet dem Leser natürlich auch die Sprache des Dichters, seine Wortschöpfungen, sein Satzbau, sein Rhythmus….Keine Kostprobe hier, selber lesen!

Auch ich bin im Besitz einiger Briefe des Meisters aus Övelgönne, der Grund, ich wollte ihn für eine Tagung gewinnen und, vor allem: die beiden TABU-Bücher haben mich seinerzeit zu einigen Begleitmusiken animiert. Und so habe ich die mit meinen musikalischen Einfällen bespielten Kassetten Peter Rühmkorf gesandt und zurück kam beispielsweise folgender Brief:

 
 
 

 

 

 

 

 

(siehe auch: Peter Rühmkorf: Von mir – zu euch – zu uns, Göttingen 1999)

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4 Comments

  1. Henning:

    Ja, Övelgönne. Bei mir „fehlt“ er nicht. Er ist nur „aufgespart“ für andere Liste. Wie, im übrigen, sähe ein heutiges Pendant zu ‚Über das Volksvermögen‘ aus?

  2. Michael Engelbrecht:

    Ich dass bei ihm daheim, draussen die Elbe, und es war eine grosse Freude. Ich hoffe,diese Begegnung noch auftreiben zu können, in den Archiven des Deutschlandfunks. Und ich werde Manfred Eicher mit all meinem Charme bitten, die beiden Rühmkorf-Platten neu rauszubringen.

  3. Uwe Meilchen:

    Sehr sehr lesenswert sind auch die Briefwechsel die Siegfried Unseld aus dem Suhrkamp Verlag mit Schriftstellergroessen wie z.B. Uwe Johnson, Wolfgang Koeppen, Thomas Bernhardt und Peter Handke gefuehrt hat. (Ergaenzend dazu sollte man die „Chronik 1970“ und „Chronik 1971“ lesen: Reiseberichte, Notizen zu Begegnungen mit Schriftstellern des Verlags etc.)

    Dort, in diesen Buechern ist nachzulesen, welch kaprizioese Menschen Schriftsteller (oder Kuenstler allgemein?) sein koennen und wie man es als Verleger anstellt dann alle, auch unterschiedliche Charaktere zufrieden zu stellen.

  4. Gregor:

    Genau! Den Briefwechsel Siegfried Unseld mit Peter Handke fand ich z.B. da wirklich auch sehr lesenswert.


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