Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

2015 30 Mai

Entdeckung 1 (1975) und 2 (2015)

von: Michael Engelbrecht Filed under: Blog | TB | 21 Comments

– Wo bist du gelandet, als du heute Abend die ESC-Taste drücktest?
 
– In Paris, 1975. Bei einem Konzert von Jethro Tull. Beim Autofahren. Grosser Spass.
 
– Du hast eine Geschichte mit den Briten?
 
– Wie tausend andere. Die Girls bekamen immer leuchtende Augen, wenn Ian Anderson seine Querflöte blies. Und er konnte mitunter so sanft säuseln wie Cat Stevens. Ansonsten fand ich als Teenager „Aqualung“ toll, aber richtig gepackt hat mich „Thick As A Brick“. Die ganzen brachliegenden Sehnsüchte damals verdichteten sich auf einigen Schallplatten, „Foxtrot“ gehörte dazu, „Sgt. Pepper“, „Atom Heart Mother“. Und eben „Thick As A Brick“.
 
– Und jetzt vor dem Einschlafen?
 
– Da bin ich in der Gegenwart gelandet. Liege im Bett. Den toten Punkt überwunden. Und höre eine CD, die mir ein Freund aus London geschickt hat. Wunderbar. Eine Entdeckung. Bislang kannte ich diesen einsamen Wolf nicht.
 
– Was für ein einsamer Wolf?
 
– Paul Marshall nennt sich „Lone Wolf“. Wunderbar asketische Lieder von einem, der die späten „Talk Talk“ gut kennt. 50er-Jahre-Jazztrompeten, stille Lieder. Paul Buchanan dürfte das auch sehr gefallen. Das Album heisst „Lodge“. Ich weiss gar nichts über diesen Sänger. Ist bestimmt auch was für Freunde der Songs von John Martyn. „I’ve been sleeping with a blindfold on, sleeping with the curtains drawn,” singt er einmal. Ohne jede Spur von Weinerlichkeit. 

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21 Comments

  1. Martina Weber:

    Die ESC-Taste wird hier noch zum running gag :)

  2. Michael Engelbrecht:

    Yep. Da fällt mir ein. Eno und Fripp waren auch 1975 in Paris. Gibt es auch als Live -Dokument. Und ich war 1975, verdammt, auch in Paris. Aber auf keinem dieser Konzerte. Ich bin aber durch Plattenläden gestöbert. Ich war ca. dreimal in Paris zwischen 1972 und 1978. Und ich weiss noch genau, dass ich in jenen Jahren dort Platten gekauft habe von Byard Lancaster, Lester Bowie und Anthony Braxtion. Ich sehe alle drei Cover vor mir. Brian Eno hat mir später von einem Hotel erzählt, mit ganz kleinen Häuschen in einem dieser gut versteckten Hinterhöfe und Jahrhunderte alten Gärten. Es gab mal ein tolles Buch über das geheime Paris, leider habe ich es verloren. Rivette hat es in einigen seiner Filme aufgespürt.

  3. Finola D.:

    The first time I heard it I just stared into space and took it all in. While it is a melancholic piece I didn’t feel like it was forced by any means and I felt blessed that Marshall found the courage and drive to make this piece of art. When I took out my headphones and tried to tell my friend about what I was listening to, I was a bit lost for words. My mouth opened but nothing came out.

  4. Martina Weber:

    Das Cover von „Let The Power Fall“ siehst du bestimmt auch vor dir. Die Platte habe ich heute auch gehört, sie wurde im April 1979 aufgenommen, allerdings habe ich sie noch gar nicht so lange. Ich habe hier gerade ein etwas bedrohlicheres Problem. Mein Nachbar ist nämlich ausgezogen und jetzt scheint da eine Familie mit einem kleinen Mädchen einzuziehen. Da die Wände so dünn sind, höre ich fast jedes Wort. Ich schätze das Mädchen auf 5-6 Jahre alt. Sie redet gern und viel. Wenn sie in dem Zimmer direkt neben meinem Arbeitszimmer ihr Kinderzimmer einrichtet, kann ich hier einpacken. Ich fange schon an, mich über Verfahren der Innenwandisolierung zu informieren.

  5. Lajla Nizinski:

    Vielleicht mag das Mädchen deine Musik nicht.

  6. Michael:

    @Finola: Maybe I should have kept my mouth shut instead of using comparisons. Lone Wolf (you have to have a good amount of self irony or sarcasm to use such a name) is not singing like John Martyn or Mark Hollis, he does use, here and there, a timbre, a texture, a bending of notes that justifies such parallels.

    Most of the highly praised voices this year do quite good work (Prass and Pratt, for example), but they don’t cross a certain level of decency and craftmanahip. Lone Wolf does, like Sufjan Stevens and John Darnielle. And, forthcoming, Rickie Lee Jones.

    @ Martina: Play the Frippertronics very, very loud: dann können die Nachbarn einpacken :)

  7. Michael Engelbrecht:

    Das Pariser Konzert findet sich auf der Edelausgabe von THE MINSTREL AT THE GALLERY (40th anniversary edition). Ich kannte das Album überhaupt nicht, es hat seine Momente, ein paar gute Songs, aber nicht den Sog der Klassiker der Band.

    Ich sah Jethro Tull einmal live, in Nürnberg 1982, nach King Crimson, vor Neil Young & Crazy Horse. Tull waren da brilliante Entertainer, aber an sie beiden anderen reichten sie nicht ran. Herrlich skurril allemal.

  8. Martina Weber:

    @ Lajla: Du hast noch nie bei mir Musik gehört. Ich weiß, was Zimmerlautstärke ist und daran halte ich mich. Tatsächlich gehe ich aber davon aus, dass das Mädchen meine Musik nicht mögen würde. Wenn sie anfangen zu renovieren und es hier wieder lauter wird, werde ich dezente Zeichen senden, dass hinter der Wand jemand lebt.

    @ Michael: Deshalb habe ich die Platte ja gestern aufgelegt. Sie ist perfekt geeignet, Störgeräusche aufzusaugen und meine Konzentrationsfähigkeit zu erhalten. „Northers Song“ von Steve Tibbetts eignet sich auch super. und die „Abandoned Cities“ von Harold Budd. usw.

  9. Uwe Meilchen:

    Ich wuerde einfach ein klaerendes Gespraech mit den Nachbarn suchen. Und ansonsten den Vermieter einschalten.

  10. Michael Engelbrecht:

    Der war gut, Uwe, haha, was soll denn ein Vermieter machen, wenn ein Mädchen nebenan gerne und viel redet? Pflanzliche Beruhigungsmittel empfehlen? Gruss aus dem Zug nach Berlin! HIER IST ES ETWAS LAAAUUTTTT! Alles rrrelllaaaatttivvvvv!!!!

  11. Michael Engelbrecht:

    http://www.musicomh.com/reviews/albums/lone-wolf-lodge

    copy and paiste!

  12. Martina Weber:

    Uwe, dies ist einfach ein altes und hellhöriges Haus mit dünnen Mauern. Da kann der Vermieter nichts machen. Ich muss schon zu Selbstschutzmaßnahmen greifen. Es ist mir durchaus ernst mit der Wandisolierung. So etwas geht. Es ist auch glücklicherweise nur eine Untervermietung, irgendwann kommt der vorherige Mieter wieder zurück, und der ist sehr leise. Leider spricht das Kind auch auf dem Balkon, und da kann ich nichts isolieren. Es liegt jetzt eine harte Zeit vor mir.

  13. Uwe Meilchen:

    @ Michael: troeste Dich, ich musste heute morgen um 07:10 Uhr in D. auf Bahnsteig 8 und wurde schon unten vor dem Treppenaufgang von reichlich BVB Fans empfangen die mit einem Sonderzug von Bahnsteig 9 in Richtung Berlin wollten. Bis ich mich durch die Fans, die Dosenbierpaletten und die unzaehligen Bierfaesschen gekaempft hatte…. Toi-Toi-toi fuer heute abend ….

    @ Martina: Wo deckt man sich denn da mit Isolationsmaterial ein ? Baumaerkte ? (Nebenbei: auch ich wohne in einem Altbau, 1963 gebaut wenn ich richtig informiert bin. Und dann habe ich auch noch eine Aussenwand dabei die auf eine frei stehende Hofeinfahrt „geht“, was ich ihm Winter beim Heizen merke. Was den Laerm bei uns im Haus angeht ist es sehr ruhig – ab und an einmal eine „losgelassene“ Kellertuer; aber sonst …)

    Und natuerlich kann man Kindern nicht das Reden, das Plappern, kurz: das Kindsein verbieten… Wir frueher mussten ja zwischen 12.00 Uhr und 15.00 Uhr (MITTAGSRUHE!) still sein – da hat sich viel geaendert…

    Wobei Michael wahrscheinlich fast recht hat: sobald das Kind groesser geworden und mit der herrschenden Konsumwelt, dem Internet, dem Fernsehen und den tagtaeglich millionenfach auf sie einstuerzenden visuellen und akustischen Reizen bombadiert wird, so wird es sicherlich pflanzliche „Hilfsmittel“ benoetigen…

    @ Martina:

  14. Martina Weber:

    Bisher waren sie nur drei Mal ein paar Stunden in der Wohnung. Einmal hörte ich Männerstimmen, die von kräftigen Menschen stammen mussten. Sie hatten Material im Zimmer nebenan abgeladen (und mich aus dem Schlaf gerissen). Ich hatte gehört, dass in die Wohnung eine alleinstehende Frau einziehen sollte. Umso größer die Überraschung über dieses Kind. Das Haus haben die Trümmerfrauen gebaut, Uwe. Fünfziger. Ein bisschen habe ich noch die Hoffnung, dass die Untermieterin eine Freundin mit Kind als Besucherin mitgebracht hat. Frauen sind ja so. Müssen immer alles der besten Freundin zeigen. Und die beste Freundin bringt dann ihr Kind mit.

    Glücklicherweise habe ich über Umwege Kontakt zu jemandem, der sich professionell mit der Isolierung von Wohngebäuden beschäftigt. Mit dem werde ich mich die Tage mal zum Kaffee verabreden und alle Möglichkeiten zwischen Robert Fripp, Pan American und einem kleinen Luftschacht zur Isolierung durchdiskutieren. Ich halte euch auf dem Laufenden.

  15. Uwe Meilchen:

    Ohrstoepsel fuer die kurzfristige Loesung ?

  16. Martina Weber:

    Im Moment sind sie nicht da! Was für eine glückliche Stille. Und ich blicke direkt auf einen Baum mit einem wunderbaren Blätterwald, die ganze Fensterfront.
    Klar, Ohrstoepsel :) Die vergesse ich immer. Dabei habe ich mir vor geraumer Zeit welche in einem Hörakustikladen anfertigen lassen und hier im Blog sogar darüber berichtet. Danke für die Erinnerung. Allerdings sind sie nicht so gut für die Gehörgänge.

  17. Uwe Meilchen:

    Dann geniesse die Stille ! Ich kenne das, wenn ich abends von der Arbeit aus dem Center komme geniesse ich zu Hause auch die Stille und lege nicht immer gleich eine CD ein oder „Radio an“…, auf die Ohrstoepsel kam ich weil hier in H. in der Stadtbuecherei ein Automat steht der solche Ohrstoepsel gegen Geldeinwurf „ausspuckt“ .-D

  18. Martina Weber:

    Super! Solche Automaten gibt es in der Bibliothek des juristischen Seminars in F. bereits seit zehn Jahren. Ich war begeistert, als ich sie zum ersten Mal sah. Da kam sofort die Erinnerung an die Kaugummiautomaten meiner Kindheit auf. Die scheinen auch ausgestorben zu sein. Mich haben natürlich nicht die Kaugummis interessiert, die waren grässlich, aber all die anderen wundersamen Dinge, die ich aber nie aus dem Automaten bekommen haben.

  19. Jan Reetze:

    textlog.de/tucholsky-leute-oben …

  20. Uli Koch:

    @ Martina: Bei so dünnen Wänden sind Frippertronics doch prima. Als ich „Let the Power fall“ das erste mal auf voller Dröhnung in meinem Elternhaus abspielte, war sich meine Mutter ohne jeden Zweifel sicher, dass ich meine Heimwerkerambitionen in mein Zimmer ausgeweitet hätte und dann doch etwas verstört, als sie feststellen musste, dass da alles von einer Schallplatte (wie wunderbar dieses Wort doch auch in doppeltem Sinne die Genialität Fripps wiederspiegelt!) ausgehend das Haus erfüllte….
    Vielleicht kannst Du dem Nachbarsmädchen ja dann erzählen, dass Du dabei bist Deine Wohnung besonders schön herzurichten.

  21. Michael Engelbrecht:

    Der Tucholsky-Text ist wunderbar. Bei einem Besuchin Bochum empfehle ich im Bermuda-Dreieck das Cafe Tucholsky. Die besten Rühreier des Ruhrgebiets:)


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