Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

Ich lag in der Badewanne und begann mit der Lektüre von Wolfgang Sandners Keith Jarrett-Biographie. Schon auf der ersten Seite merkte ich, dass das Wasser etwas zu kühl war, und ich liess Heisses nachlaufen. Dabei vergass ich, dass die Regulierung des Wasserstrahls defekt war, ein heisser Strahl schoss auf die Kniescheiben, die aus dem Schaumbad herausragten. ein kurzer Schrei, das Buch flog durch die Luft, platschte ins Wasser, ich drehte den Hahn ab, fischte das Buch aus dem Wasser, und erholte mich von dem Schreck. Später liess ich das Buch in der Abendsonne trocknen, und bald klebten die ersten sechzig Seiten nicht mehr aneinander. Ich fliege durch das Buch, das einem falschen akademischen Ton widersteht, und doch sehr sachkundig ist. Anders als der Titel dieses kleinen Eintrags vermuten lässt, zähle ich den Pianisten nicht zu den „Amerikanischen Göttern“, weil mir die Verklärung des Genius von Artisten, auch solchen auf dem Hochseil, völlig fremd ist. Nach Heinrich Steinfests Das grüne Rollo lese ich schon wieder – parallel zu Sandner, der manchmal schon zu barocker Bilderflut neigt – ein Mystery-Buch, allerdings eins mit Thrillerelementen, Neil Gaimans vielgerühmten 600-Seiten-Schmöker American Gods. Und die ersten 65 Seiten haben mich regelrecht gefesselt. Vorhin aber, in der plötzlich hereinbrechenden Mittagssonne – ich liege im Garten auf der Wiese, links Gaiman, rechts Sandner – da meldet sich der kleine Hunger. Es ist Erdbeerzeit – Gregs, Jochen und Wolfram stecken heute im finalen Abstiegskampf – und ich bin ganz allein zuhaus. Von Büchern allein kann sich der Mensch nicht ernähren, der Sylter Rooibusch No. 23 (Sanddorn/Orange) scheint ein unerwartetes High im Hirn zu produzieren, ich schwitze, dusche kalt, und hole aus dem Keller einen Biskuitboden. Ich habe noch genügend frische Erdbeeren für mein sehr einfaches Tortenrezept. Ich schneide die Erdbeeren so, dass sie auf dem Tortenboden leicht aufliegen können. Ich mag überhaupt nicht dieses Gelierzeug, mit denen man die frische Fruchtmasse bindet. Deshalb verteile ich die Erdbeeren, konzentriert, doch mit entspannter Hand, etwa so, wie Zen-Inspirierte Brot schneiden (siehe dazu den Film DIVA von Jean Jacques B.), über den Biskuitboden, nachdem ich sie mit Rohrzucker gesüsst habe. So kommt diese Exzellenz-Torte dann auf den Tisch. Beim Schneiden in Portionen fallen dann etliche Erdbeeren über den Rand, ein munteres Gepurzel, und auch beim Essen bleiben die Beeren störrische Widersacher, aber das ist der Preis, den ich gerne zahle. Dazu dann nach Belieben frische Sahne. Ein Hochgenuss. Am Abend dann höre ich BOOK OF WAYS, Keith Jarrett solo auf einem Clavichord, anno 1987. Tolles Doppelalbum, viel besser als diese Orgeleien aus Ottobeuren auf HYMNS & SPHERES. Bin gespannt, was Herr Sandner zu diesen Platten schreiben wird. Der Roman AMERICAN GODS ist gerade bei Eichborn als Director’s Cut erschienen.

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