Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

2015 3 Mai

On the road forever

von: Lajla Nizinski Filed under: Blog | TB | 9 Comments

 

 
 
 

Manchmal ist sie so Deutschland muede, dass sie ihr Land verlaesst, um in fremden Kulturen Verschiebungen ihrer Sehnsuchtslage zu erreichen. Das passiert erfahrungsgemaess nach 6 Wochen.

Dieses Mal ging ihre Reise jedoch in die Mitte der deutschen Welt. Sie wollte die Fuehlung am Hermannsdenkmal mit den nationalen „Stahlgewittern“ (Ernst Juenger) aufnehmen. Da stand er vor ihr: Hermann mit dem 7m langen Schwert, das in den Himmel stoesst, der doch allen gehoert. Ehre, Tapferkeit, Sieg, Stolz, alles Woerter aus dem heeren Germanenwortschatz. Schaudernd ging sie in den Maienwald hinein. Nach 7 km kam sie an eine Lichtung, auf der bizarre Felsen standen: Die Externsteine. Wer hatte diese Gebilde geschaffen? Walt Disney? Hermann? Wo waren die Reste der Gebirgskette, wenn es denn eine gab? Wo floss das Wasser, das diese Formen freigespuelt hatte? Der kleine Bach Wiembecke war auf der Karte eingezeichnet, allein sie konnte ihn nicht ausmachen. Sie starrte auf die fuenf Felssaeulen und entkam einer langen Weile nicht ihrer Anziehungskraft. Sie tastete an den Steinen entlang, das war Sandstein. Er musste aus der Erdkruste vor Millionen von Jahren herausgestellt worden sein. Sie erkannte zunaechst die glatten Risse zwischen den Felsbrocken. Dafuer hatte das gefrorene Wasser gesorgt. Aber an einigen gelben Flecken konnte sie auch kleine Loecher entdecken, das deutete auf die honey suckle Erosion hin.

Eigentlich war sie nicht nur wegen der Geologie hergekommen, sie hatte Lust auf Woodstockatmosphaere, auf Gestalten, die sich friedlich versammeln und unter der Magie der Steine in den Hexensabbath hinein musizieren. Weit gefehlt. Verbote schienen das Fest zerstoeren zu wollen: kein Feuer, kein Campen, kein Alkohol. Sie fragte einen Sicherheitsmenschen, wieso im Wald eine Flasche Bier verboten sei, we live in a free country. Weisses, blendendes Licht in ihrem Gesicht war die Antwort. Sie hoerte noch eine Weile den Trommelnden zu und dachte an die Kraft von Woodstock, die hier niemals stattfinden koennte. Hier erodieren Altnazis auf der Oberflaeche, hier singen sie „ein wehmuediges Adee“ (Heinrich Heine: Die Rueckkehr der Goetter). Hier wird die kulturelle Fremdheit ausgesperrt, bloss kein Woodstock hier. In diesem intoleranten Gemeinwesen fuehlte sie sich deplaziert. Sie ging zu Fels 1, wo das vorchristliche Loch behaupten will, dass bei Sonnwende die Sonne durchscheint. Sie holte nicht ihre Kamera raus, sondern Block und Bleistift und schrieb an den Buergermeister und den Landrat vom Lipper Land: I’m gonna live forever, I’m gonna cross that river, I’m gonna catch tomorrow now (Billy Joe Shaver).

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9 Comments

  1. Martina Weber:

    Die Landschaft hat etwas amerikanisches. Vielleicht liegt´s auch am Pickup, der da rechts neben der Hütte parkt. Cooles Auto, das du da ganz lässig geparkt hast. Würde lieber eine Tour mit einem Pickup machen als mit diesen Oldies, die in den vergangenen Tagen hier zu sehen waren.
    Was ist denn nun das geologische Geheimnis hinter den Felsen? Ich vermute, dass die Felsen aus Granit sind oder aus einem anderen sehr harten Gestein. Aber warum gerade in dieser Form und in dieser Gegend?

  2. Michael Engelbrecht:

    http://de.m.wikipedia.org/wiki/Externsteine

    Oldies? Nun gut, ich habe mir deb Ford von 1950 besorgt, er ist schon auf dem Schiffweg nach Hamburg. Und ich hole ihn dort ab und komme damit zum Manafonistastreffen. Nach dem Essen fahren wir alle damit zur Sansibar und überfallen dort den Weinkeller.

  3. Martina Weber:

    Herzlichen Glückwunsch!
    Wenn Lajla aber mit ihrem Pickup zum Treffen fährt, würde ich bei ihr einsteigen. Ich bin mit Anfang 20 mal in einem Pickup gefahren, als Tramperin in Cornwall, und ich saß hinten mit einem kleinen Jungen, der sehr glücklich fish & chips gegessen hat.

  4. Michael Engelbrecht:

    Ich war in Cornwall als grosser Junge 1997 oder 1998 unterwegs. Ich kaufte in Portsmouth die gerade erschiene CD Time out of mind von Bob Dylan, und schlief in dem Schlafzimmer des Hauses, in dem Daphne Du Maurier ihren Piratenroman geschrieben hatte, der später als Meuterei auf der Bounty verfilmt wurde. Ich hatte einen alten VW dabei, den ich eine Woche lang aus den Augen verlor, als ich ein Stück englischer Wildnis nahe des Coastal Path durchquerte.

  5. Martina Weber:

    Ich bin – ohne Auto – entlang der Cliffs mit einem 15-Kilo-Rucksack gewandert, in dem sich unter anderem meine legendäre Aluminiumteekanne befand, die ich auf jeder Reise mitnehme. Dieser Rucksack hat mich davor bewahrt, in Lands´ End ins Meer geweht zu werden. Deshalb habe ich ihn im Keller in einer Vitrine ausgestellt. Die Meuterei auf der Bounty habe ich im Fernsehen gesehen, das waren die typischen Filme, die mein Vater und mein Bruder angeschaut haben. Ziemlich brutal.

  6. Michael Engelbrecht:

    Der Film war ziemlicher Blödsinn, aber es war skurril, in ihrem Haus, und womöglich gar in ihrem Himmelbett, zu übernachten. Über dem Bett hing als Ornament ein gewebter Himmel. Neben mir lag eine schöne Frau, älter als ich, und sehr leise beim Sex. Ich passte mich an, sonst wären die Schreie an den Himmel gestossen, und als alter Staub auf nackte Körper runtergerieselt. Morgens sang Dylan dieses unfassbar gute und lange Lied einer Begegnung mit einer Kellnerin und den Highlands. Lanois hat die Platte produziert.

  7. Michael Engelbrecht:

    Ich kann das Lied auswendig, das mit der Kellnerin, und immer, wenn ich gefragt werde, was ich unter der Dusche singe, gebe ich diesen Song an – das glaubt kein Schwein, weil es so lang ist, aber es ist leicht, wenn man in Liedern wohnt. Vier Zeilen daraus gehen so, mit näselnder Stimme sprechsingt es sich besonders gut: I’m listening to Neil Young, I gotta turn up the sound, Someone’s always yellin‘ „Turn it down“, Feel like I’m driftin‘, driftin‘ from scene to scene, I’m wonderin‘ what in the devil could it all possibly mean.

  8. Lajla Nizinski:

    Kris Kristofferson hat ueber Billy Joe Shaver gesagt, er schreibe wie Hemingway,
    Bobby hat ueber ihn gesagt, er habe was von Shakespeare.Shaver ist ein Cowboy, dessen Musik ich im Kopfohr in der kleinen deutschen Landschaft hatte:“ I’ve spent a lifetime making up my mind/to be more than the measure of what I thought others would see/good luck and fast bucks are too far and too few between/ Cadillac buyers and old five and dimers like me“
    (old five and dimer Laeden heissen heute 1 EU Laeden)

    Martina ueber GeoWISSENSCHAFTEN und das GEHEIMNIS wuerde ich gerne diskutieren.
    Bei den Externsteinen ist das geologische Geheimnis zumindest offengelegt. Es ist harter Sandstein, der freigelegt wurde.
    Ein schoenes Geheimnis birgt das Steinrelief, das dort in den Stein gemeisselt wurde.Es zeigt die Ursuender Adam und Eva und den fuer sie gestorbene Jesus, der vom Kreuz genommen wird. Es macht mich happy, dass auch Wiki nichts ueber den Steinmetz weiss.

  9. Martina Weber:

    Danke für die Info, dass es harter Sandstein ist, Lajla. Ich hatte in der Oberstufe Geographie als Leistungskurs und konnte mal alle Theorien zur Entstehung von Schichtstufenlandschaften. Wenn es weicher Sandstein gewesen wäre, wäre mein Weltbild zusammengebrochen. Ich wusste gar nicht, dass es auch harten Sandstein gibt.


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