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Jürgen Klopp geht von Bord. Die Mannschaft ist nicht intakt. Thomas Tuchel kommt. Ein nervöser Intelektueller, der kein bisschen an das Charisma von Klopp heranreicht, und seine verbissene Aggressivität leider nicht mit Klopp’schem Humor kompensieren kann. Herr Tuchel hat auch nur ordentliche Arbeit in Mainz verrichtet, und wird massiv überschätzt. Sein Abgang aus Mainz war schlimmstes Bauerntheater, und der Mainzer Präsident Heidel, guter Klopp-Freund aus alten Tagen, hat den Kopf geschüttelt ob der Tuchel’schen Wirrnis. Es muss in Dortmund Zerwürfnisse, Risse zumindest, gegeben haben im Trio der Führungscrew, sonst hätte der Trainer diesen Schritt nicht erwogen. Das Verhältnis zur Mannschaft ist nicht zerrüttet, aber natürlich ist die Stimmung spätestens seit dem Turiner und Gladbacher Debakel im Keller. Allen drei ist sicher die jüngere Transferpolitik anzulasten (aber solche Jahre gibt es, überall, Bremen hat es vor Jahren erlebt, man kann nicht immer Weltklasse durch Weltklasse ersetzen) – von Immobile bis Ginter, von Mikhitaryan bis Kampl ein Trauerspiel. Die holt kein Trainer aus dem Tief, weil dieses Tief mittlerweile der Normalzustand der besagten Spieler geworden ist. Man nennt sie auch „Sonntagsfussballer“. Oder im besten Fall „gehobenen Durchschnitt“. Für spekatukäre Neueinkäufe fehlt das Geld – es sei denn, Hummels und Gündogan, die eklatante Formschwankungen aufweisen, gehen: dann kann man den berüchtigten Markt sondieren, mit einem gewissen Sachzwang, ein goldenes Händchen beweisen zu müssen. Wie soll das gehen – Klopp konnte Spieler mit Charme und Intelligenz dazu bewegen, nach Dortmund zu kommen, bei Tuchel werden das kalte Angebote und Taktikspiele aus der Retorte sein. Augsburgs Weinzierl ist ein Typ mit Klasse, der noch nie durch den gehemmt-aggressiven Sprachstil  eines Tuchel aufgefallen ist und Sensationelles leistet mit seinem Team. Aber der Deal ist lang schon durch. Hummels ist kein guter Leader, sonst hätte er seine Abwanderungsgedanken nicht zum denkbar dämlichsten Zeitpunkt ausgeplaudert. Kehl geht, und damit eine absolut integre Führungsfigur. Gute Nacht – keiner sollte mehr von Berlin träumen. Das kann der BVB nicht, in München gewinnen, anno 2015. Die nächste Saison wird unlustig, nicht nur auf den Pressekonferenzen. Was für eine Scheisse. Heute gab es nur eine gute Nachricht: am 21. Juni geht die zweite Staffel von TRUE DETECTIVE los, in den USA. Ach, und noch eins: schauen Sie sich das Spiel Dortmund gegen Paderborn an, und achten Sie darauf, wie ein grossartiger Trainer gefeiert wird. Auch wenn es einmal mehr den berüchtigten „Gurkenfussball der Überschätzten“ geben wird. An alle Borussenfans meine Empfehlung: gehen Sie den Rest der Saison mit stoischer Ruhe an, und machen Sie eine Zeitreise mit Roland Rengs wunderbarem Fussballbuch „Spieltag“! Manchmal kann Nostalgie, die mit einem klaren Blick und guten Geschichten daher kommt, den Blick weiten und Gelassenheit spenden – ein leises Schmunzeln ist jetzt ohnehin besser als eine „kochende“ Dortmunder Fussballseele.

This entry was posted on Mittwoch, 15. April 2015 and is filed under "Blog". You can follow any responses to this entry with RSS 2.0. Both comments and pings are currently closed.

5 Comments

  1. Lajla nizinski:

    Ja überraschende Nachricht, dass auch mal ein Trainer geht bevor er gegangen wird.Klopp hat doch Großartiges für den Club geleistet. Nach sieben Jahren, fast biblisch. Soll er mal ausspannen. Auf Tuchel bin ich gespannt. Er kommt immerhin aus dem Lehrfeld von Rangnik und den habe ich vor und in der Hoffenheimer Zeit sehr verehrt.

  2. Michael Engelbrecht:

    Ich bin nicht so sicher ob deiner Referenzliste. Die Schule der kühlen, fahrigen Intelektuellen wird bei Borussia keine Bäume in den Himmel wachsen lassen.

  3. Michael Engelbrecht:

    Gregs, Tuchel zu holen, ist genauso ein Fehler wie die Entlassung von Slomka bei euch. Da wurden Watzke und Zorc leider von alten Illusionen a la Mainzer Schule in die Irre geführt. Jürgen Klopp geht nur, da bin ich mir sicher, weil es zu oft Zoff gab im Trio. Das war heute eine sehr traurige, ritualisierte Veranstaltung. Und bitte niemand möge jetzt BVB-Aktien kaufen, die bleiben im Sinkflug.

  4. Gregor:

    Ich wurde heute gegen 12:00 Uhr von meinen Schülern über die Geschehnisse unterrichtet und war doch ziemlich erschüttert. Natürlich kann ich Jürgen Klopp bestens verstehen, aber es ist trotzdem sehr schade. Was 96 angeht habe ich inzwischen Panik, am nächsten Samstag werden wir gegen Leverkusen hoch und sicher verlieren, auch das Restprogramm verspricht nichts Gutes. Aber jetzt rede ich schon wieder von mir, ich wollte eigentlich nur sagen, dass mit das mit Klopp wirklich leid tut.

  5. Michael Engelbrecht:

    Ich habe die ganze Geschichte mit Tuchel in Mainz verfolgt, seine fahrigen humorbefreiten Interviews, seinen abstrusen Abgang in einer Nacht- und Nebelaktion. Den mag iund schätze ich überhaupt nicht. Ich schriebs ja: ichmutiere nächste Saison zum Stoiker:) – guck dir Samstag in der Sportschau an, wie der Mann, zurecht, gefeiert wird. Das war heute Schmierentheater von Watzke und Zorc: die Fassade der drei Freunde bröckelte es schon seit langem, und jetzt ist der Beste weg. Und jetzt kommt ein neuer Fussballprofessor. Das ist alles nicht lustig. Ich mache nächstes Jahr ein BVB-Sabbatical:)


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