Manafonistas

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2015 9 Jan

Gregor öffnet seinen Plattenschrank (85)

von: Gregor Mundt Filed under: Blog | TB | 1 Comment

Neujahr, der Himmel grau zumeist, die Schneepracht längst weggetaut, überall liegen noch verstreut die verkohlten Reste der Raketennacht herum und ich stehe vor meinem Plattenschrank: was passt jetzt, womit das neue Jahr begrüßen? Welche Musik wäre für diese ruhige, gedämpfte, leicht depressive, aber doch erwartungsvolle Stimmung geeignet. Mir fällt ein Musiker ein, von dem ich jahrelang keine Platte mehr gehört habe, aber doch einen ganzes Plattenpaket von ihm mein eigen nennen darf: Chet Baker. Zunächst entscheide ich mich für eine alte Riverside-Platte aus dem Jahre 1959: „Chet Baker Plays Best of Lerner & Loewe“. Chet Baker spielt hier mit Herbie Man, Zoot Sims, Pepper Adams und Clifford Jarvis, Bob Corwin, Earl May und mit dem unglaublichen Bill Evans. Meine Wahl ist genau richtig, diese jahrelang nicht mehr gehörte Platte haut mich richtig um, tolle Musik, herrliche Balladen, z.B. `On the Street where you live` aus `My Fair Lady´, mit einem wunderbaren Solo von Pepper Adams oder das dunkle `I Talk to The Trees´, ein zartes Zusammenspiel mit Bill Evans und Chet Baker.

 

 

 

 
Beim Hören dieser Platte erinnere ich mich daran, einen Band über Chet Baker in Europe zu besitzen, ein hervorragendes Buch aus dem Nieswand Verlag, herausgegeben von Ingo Wulff. Beim Blättern in diesem Buch weiß ich, was als nächstes aufgelegt werden muss: „Chet Baker: The Last Great Concert“, eine Liveaufnahme aus dem Funkhaus Hannover. Hier spielte der Meister zusammen mit der NDR Bigband und dem Rundfunkorchester Hannover sein letztes Konzert, zwei Wochen später sollte er sterben. Lothar Lewin schreibt in seinem Buch Chet Baker Blue Notes – Engel mit gebrochenen Flügeln – Eine Hommage: „Das Konzert fand statt am Donnerstag, dem 28.April 1988, im Funkhaus Hannover.

 

 

 

 

Zur Probe konnte Chet nicht erscheinen, weil ihn die Pförtner nicht ins Haus hineingelassen hatten, schreibt der Produzent auf einer der beiden Platten, die das wunderbare Konzert dokumentieren. Chet spielt an diesem Abend geradezu überirdisch schön, mit einem reinen,sanften Ton voll tiefer Magie … Es war als hätte sich Chet Baker mit diesem großen, außergewöhnlichen Konzert selbst verabschieden wollen.“ Ich höre `My Funny Valentine´, `Summertime´, auch `I Fall In Love Too Easily´ und bin, was vielleicht daran liegt, dass ich zuvor Chet Baker aus dem Jahre 1959 gehört habe, wieder einmal nicht so begeistert von dieser Musik wie viele Kritiker und eben auch Lothar Lewin. Für mich sind da zu viele Streicher, zu süßlich das alles…

 

 

 

 

Es wird also Zeit noch etwas ganz anderes zu hören. Um in Hannover, dieser wunderbaren Stadt, zu bleiben, lege ich Oscar Peterson auf. Peterson war mit seinem Trio – Sam Jones und Bobby Durham – wie Baker live im Funkhaus am Maschsee am 23.Oktober 1967 zu hören und hatte als Gast auch noch Coleman Hawkins mitgebracht. Diese Platte, sie ist inzwischen wieder als CD zu haben (Titel: „The Oscar Peterson Trio Meets Coleman Hawkins – Live In Hannover 1967“), bringt jetzt wirklich frische Luft, meine Güte, wie fetzig, wie mitreißend der Meister auf dieser Platte sein Piano spielt…

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1 Comment

  1. Michael Engelbrecht:

    The Touch of Your Lips ist eine meiner liebsten Platten aus der „Baker Street“, eine Steeplechase-Produktion. Ich war nie süchtig nach seinem Ton, aber mochte seine Gegenwart, das Verhangene, Unaufdringliche, eine Melancholie, die stets in Wolken hehüllt war. Sanft. Hätte er gemalt, es wären bevorzugt Stilleben gewesen, Blumen, die erste Spuren des Verwelkens zeigen.


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