Manafonistas

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Archives: Dezember 2011

2011 12 Dez

TV-Tipp: Piet Mondrian

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Im Atelier von Piet Mondrian

Es war ein erstaunliches Fernsehporträt, das der Sender Arte ausstrahlte : es zeigte einen etwas verschrobenen Mondrian, den man so nicht kannte.  In seinem als  Bild- und Wohnplastik gebauten Atelier entwickelte er seine Ideen und lebte so – wortwörtlich – ganz in seiner Kunst. Mondrian, der Natur und Bäume hasste, hörte gerne Jazzmusik und tanzte dann dazu – und man meint nun, auch in seinen strengen Bildern rhythmische Strukturen zu erkennen. Gerne und regelmäßig stürzte er sich ins Pariser Nachtleben. So war sein Leben trotz seiner sperrigen, einzelgängerischen Intellektualität zwar viel, doch keine pure Einsiedelei.

Den Ausblick aus seiner Wohnung über die verwinkelten, verspielten, unaufgeräumten Dächer und Hinterhöfe von Paris hätten die meisten wohl als romantisch empfunden – er hingegen verabscheute solcherlei Szenerie. Als er später dann, bedingt durch den zweiten Weltkrieg, nach New York übersiedelte, traf er in der dort existierenden kühlen, rechteckigen und durchstrukturierten Stadtarchitektur verblüffenderweise auf die Verwirklichung seiner Ideen und formellen Ideale. Und so war sein Exil nicht unvertraute, unerwünschte Fremde – sondern Zuflucht und Heimkommen in eine vertraute geistige Heimat und eine Form des späten Glücks. 

2011 9 Dez

Gregor öffnet seinen Plattenschrank (7) Stille (1)

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Vor ein paar Tagen veröffentlichte Jochen Siemer Kleine Fluchten – ein Lob der Stille und des Zweifels. Mich erinnerte Jochen damit in diesen „stillen Tagen“ an das Thema Stille in der Musik. Diesem Thema möchte ich die heutige und die nächste Ausgabe des „Plattenschranks“ widmen.

Komponierte Stille:
1952 komponierte John Cage sein viel diskutiertes, nur aus Stille bestehendes Stück 4´33: „Ich war dabei die MUSIC OF CHANGES zu schreiben, was in einer komplizierten Weise vor sich ging, es gab viele Tabellen für Tonhöhen, Tonumfänge. Das ganze Werk entstand aufgrund von Zufallsoperationen. Im Falle von 4´33 benutzte ich tatsächlich dieselbe Arbeitsmehtode und baute die Stille in jedem Satz auf,  jeder Satz besteht aus kleineren zusammengefügte Stille-Einheiten, die drei Sätze ergeben 4´33.“ (John Cage)

Vor einem Jahr geschah dann das Erstaunliche, Cage-Fans?, Stille-Fans? versuchten das Stück in einer „Neuaufnahme“ als „Cage Against The Machine – 4’33“ in die englische Weihnachtshitparade zu bringen. Ich war im Internet dabei, als plötzlich der unglaubliche, brülllaute Trubel einer BBC Christmas-Charts zum Schweigen gebracht wurde. Wenn ich mich recht entsinne, kam die Single bis auf Platz 21. Klar, dass in dieser stillen Zeit wieder Cage 4:33 aus dem Plattenschrank genommen wird.

Klagende Stille:
Als Giya Kancheli 1998 Lament – Trauermusik für Luigi Nono veröffentlichte, hatte er ein „extrem stilles Werk“ geschaffen, eine dreiviertelstündige Klage von hoher Intensität. Es entstand eine Klangwelt des Leisen, vielleicht auch des Verlorenen.

 

 

Funkstille:
Ich glaube Alan Bangs hat diese Geschichte einmal erzählt: „Es gab in England einen bekannten Moderator mit einer populären Show, die jeden Tag live über den Sender ging. Irgendwann hatte der Mann die ewige Routine, mit der seine Show ab lief, gründlich satt. Er sagte eines Tages völlig unerwartet zu seinen Hörern: „Ich will nicht mehr so weitermachen. Mir steht´s bis oben hin. Immer das gleiche Spielchen. Ihr sitzt da draußen, während ich hier mutterseelenallein in meinem Studio hocke und zu Euch rede. Ich sag´ euch, was ich jetzt tun werde. Ich steh´jetzt einfach auf und geh´raus!“ – und genau das tat der Mann. Bei offenem Mikrophon konnte man hören, wie er seine Papiere zusammenpackte, aufstand, zur Tür lief und verschwand. Fünf Minuten lang blieb er draußen. Das Mikrophon blieb geöffnet, und es passierte nichts, es herrschte totale Funkstille … Dann kam er wieder und machte weiter, als sei nichts gewesen.“

Erinnern Sie sich noch? Es gab im Rundfunk früher Sendepausen und auch das Fernsehen hatte Sendeschluss. – Stille eben.

 

2011 9 Dez

Dürfen wir Tiere essen?

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Richard David Precht im Gespräch mit dem Philosophen Robert Spaemann

Heute um 23:50 Uhr im Zweiten

Richard David Precht stellt in der vierten Ausgabe seiner Philosophiesendung die Frage: „Dürfen wir Tiere essen?“ Sein Gast, der große katholische Philosoph Robert Spaemann, hat sich intensiv mit Fragen der Tierethik beschäftigt. Er hält den Verzehr von Fleisch für gerechtfertigt – entsprechend der christlichen Auffassung, dass Gott auch die Tiere geschaffen habe, damit der Mensch sie sich zu Nutze mache. (ZDF)

2011 8 Dez

Ein Manafonista offline

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Time for a short break

Kleine Schaffenspause bis zum 15. Februar

Goodbye! Thank you for being here!

M.E.

2011, das war auch das Jahr aussergewöhnlicher Frauenstimmen, die aussergewöhnliche Alben veröffentlichten. Was verbindet die jüngsten Werke von Humcrush w/ Sidsel Endresen, Kate Bush, P.J. Harvey und Jenny Hval: Gesang als Akt der Evokation und Beschwörung, als archaisches Ritual fernab postmoderner Befindlichkeiten. Jenny Hval reist durch den weiblichen Körper, Kate Bush erkundet Schneewelten jenseits der Putzigkeit (selbst die Nacht mit einem Schneemann ist herzergreifend), PJ Harveys Trip durch ein altes England passiert Kriegsgebiete und ist voller „dark places“, und Sidsel Endresen ist sowieso die Meisterin des Geschichtenerzählens, ohne dafür unsere herkömmliche Sprache zu benutzen.

Humcrush with Sidsel Endresen

08.12 Vienna (Porhy & Bess), Austria
09.12 München (Unterfahrt), Germany
10.12 Dresden (Tonne), Germany
11.12 Bern (Bee Flat), Switzerland
13.12 Köln (Stadtgarten), Germany
14.12 Tilburg (Paradox), The Netherlands
15.12 Essen (Zeche Carl), Germany

(Meine Besprechung aus der Wochenzeitung DIE ZEIT): Sie grummelt, stöhnt, gibt Laut. Richtige Wörter und Sätze mit Sinn und Syntax nutzt die norwegische Ausnahmesängerin Sidsel Endresen kaum noch. Das hat sie lange genug getan, auf Soloalben, die etwa So I Write heißen, oder wenn sie an der Seite von Bugge Wesseltoft einem Oldie wie Paul Simons 50 Ways to Leave Your Lover das Sentimentale austrieb. Seit Jahren hat sich Sidsel Endresen von der Last des Sinnstiftens, von gepflegtem storytelling gelöst. Ihre Sprachschöpfungen knüpfen an eine Urwelt der Laute an, an wenig erforschte Gesetze von Einkehr und Ekstase. Und so wirken Endresens Eruptionen und Soundforschungen merkwürdig archaisch. Wer weiß, inwieweit sie unbewusst Gesangstechniken übernimmt, die bei fernen Ethnien zu den Ritualen zwischen Leben und Tod zählen!

Jazztugenden from a whisper to a cry realisiert sie allemal mit uralter nordischer Intensität. Die beiden Musiker an ihrer Seite sind das ideale Pendant. Als Humcrush haben der Trommler Thomas Strønen und der Keyboarder Ståle Storløkken schon mehrfach Unverbrauchtes aus der Fusion-Ära (einen Hauch von Joe Zawinul) mit seltsamen Sinnlichkeiten der E-Musik (einer Prise Arne Nordheim) sowie kaum definierbaren Quellen kombiniert, rhythmisch trickreich und sphärisch entrückt. Der elektroakustische Jazz der CD Ha! wirkt wie ein Destillat detailverliebter Studioarbeit, entstand aber, in einer einzigen Stunde wahrer Empfindungen, live in Willisau.

Aus alten Jazzträumen, die sich selbstverliebt im Kreis drehen, wird bei Humcrush w/Sidsel Endresen ungebremster Vorwärtsdrang. Das Unerhörte spielt eine Hauptrolle, und die Sicherheiten des guten Geschmacks helfen nicht weiter. Diese furiosen Unberechenbarkeiten werden zwar niemanden aus dem Diana-Krall-Fanclub überzeugen. Wer aber der Meinung ist, dass es im Jazz beim Singen vielleicht noch um andere Dinge gehen könnte als um gekonntes Wiederkäuen von Nostalgieveranstaltungen in memoriam Ella Fitzgerald im Hochglanzkostüm, wird diese Musik unter der Hautspüren, und sie wird kein Ruhekissen sein. Man kann eben auch mit Lauten jenseits der Sprache richtig spannende Geschichten erzählen.

1
Peter Sloterdijks philosophische Schriftstellerei ist geprägt von Referenzen, Vorbildern und prägenden Einflüssen – so der Eindruck, den ein interessierter Leser gewinnen kann, wenn er diesen Autor seit vielen Jahren aufmerksam liest. Da wären beispielsweise – um nur wenige zu nennen: Jaques Lacan, Osho (The guru formerly known as Baghwan) und last but not least Martin Heidegger.

Letzterer äußerte eine Aversion gegen den philosophischen Lehrbetrieb und proklamierte eine Hinwendung zum Denken als Weg. „Der Mensch ist das Weg“, so der umstrittene Heidegger. „Der Feldweg“ und „Holzwege“ sind Titel seiner Bücher. Kleine Fluchten hieß einmal ein netter kleiner Film, in dem ein Mann auf seinem Mofa Freiräume erschloss. Auch mit dem Falt- und Fahrrad geht es – oder eben doch zu Fuß.

Was heutzutage an der Medienwelt und ihrer Info-Flut so beunruhigt, das ist die damit einhergehende Unfähigkeit, mit der wirklichen Welt überhaupt noch in Kontakt zu kommen. Denn ein Computer sendet keine sinnlichen Signale, und Atmosphären schafft er auch nicht. Der Dauer-User mutiert zum Zombie und das Alltagsleben wirkt seltsam verhuscht (durch den medialen Wind) – denn allerorten wird mit digitalen Welten kontaktiert.

2
Intuition ist neben der Rationalität eine unverzichtbare Methode der Orientierung und Entscheidungsfindung. Quelle der Intuition ist die Stille. In der Ruhe liegt die Kraft. Und von diesem Ort der Stille aus wird ein Denken bewegt, das mehr ist als bloßes mechanisches Verwalten von Wissen – vielmehr die Verbindung des Gedanklichen mit dem Sinnlichen, Atmosphärischen und (im pornofreien Sinne) Anstössigen.

Von hier aus können nicht nur grenzüberschreitende Erfahrungen ihren Ausgang nehmen, sondern ebenso die Kreativität, dh der durch eine Eingebung initiierte Antrieb auf eine Handlung; ein Projekt oder ein Vorhaben hin. Das Denken findet im Kopf statt, ist aber verbunden mit der Leiblichkeit.

„Sex ist ein öffentlicher Prediger“ (Octavio Paz) – aber der Raum hier ist jenseits von Sex und frei von Predigt. Es sind tatsächlich diese kleinen Fluchten: Freiräume, die man sich suchen und nehmen muss. Denn eine profit- und leistungsorientierte Gesellschaft wird sie dir sowenig von sich aus geben wie eine auf gegenseitige Ausnutzung angelegte Neben- und Mitmenschlichkeit dies tut. Innerhalb der Normalitätspropaganda gibt es keine Freiheit.

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Der Fundamentalismus mit seinen verschiedenen, teils widersprüchlichen Ausprägungen und diversen humorlosen Strömungen im Islamismus, Katholizismus, Protestantismus etc mag einen Menschen handlungsstark machen und seinem Leben Sinn und Rückhalt geben. Häresie, Zweifel, Skepsis und Subversion aber: das sind die wahren Antriebe sowohl einer Philosophie als Lebensform als auch der Kunst.

Deren beider Grundprinzip ist der Anti-Fundamentalismus. Denn wer eh schon weiß, der fragt und sucht nicht mehr („Ik bin all da“, sächt de Igel un sin Fru) und verschließt sich somit weiteren Entdeckungen. Dieses aus dem Zweifel und dem Fragen geborene Suchen ist per se Bewegung bzw entfaltet sich in ihr – in diesem fortdauernden Wechselverhältnis zwischen dem Impliziten und dem Expliziten: the on-going …

„Ich sage euch: man muss noch Chaos in sich haben“, so sagt in diesem Sinn ein Essaytitel des eingangs erwähnten, nietzsche- und heideggerinspirierten Sloterdijks, dem ich hiermit auch das Schlusswort gebe – und der damit hier und jetzt auf wundersame Weise meine chaotischen Denk- und Schreibversuche legitimiert. Ha! Hum-crush.

1) Brian Eno and the words of Rick Holland : Drums Between The Bells
2) Duo Gazzana: Takemitsu, Hindemith, Jánacek, Silvestrov: Five Pieces
3) Pessi; Wallumrod; Ambosini; Achtmann: If Grief Could Wait
4) David Sylvian: Died In The Wool – Manafon Variations
5) Heinz Holliger/ Johann Sebastian Bach: Ich hatte viel Bekümmernis
6) Bill Callahan: Apocalypse
7) Francois Couturier: Tarkovsky Quartet
8) Nils Okland & Sigbjorn Apeland: Hommage á Ole Bull
9) PJ Harvey: Let England Shake
10) Alison Krauss & Union Station: Paper Airplane
11) Gillian Welch: The Harrow And The Harvest
12) Robert Schumann / András Schiff: Geistervariationen
13) Kate Bush: 50 Words for snow
14) The Unthanks: Last
15) Bill Frisell: All we are saying
16)Chris Watson: El Tren Fantasma
17) Beach Boys: The Smile Sessions
18) Cindytalk: Hold Everything Dear
19) Sarah Jarosz: Follow me down
20) Sea of Bees : Songs for the Ravens
21) Radiohead: The King of Limbs
22) Bon Iver: Bon Iver 
23) Marylin Mazur: Celestial Circle
24) Eddie Vedder: Ukulele Songs
25) Toshio Hosokawa: Landscape
26) James Vincent McMorrow: Early In The Morning
27) Release The Sunbird: Come Back To Us
28) Dave Davis: Hidden Treasures
29) Kammerflimmer Kollektief: Teufelskamin
30) Sylvie Courvoisier & Mark Feldman Quartett: Hotel du Nord

2011 4 Dez

Meine besten 30 CDs des Jahres 2011

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1) Bill Callahan: Apocalypse
2) Brian Eno and the words of Rick Holland : Drums Between The Bells
3) The Beach Boys:  Smile Sessions
4) PJ Harvey: Let England Shake
5) Riccardo Villalobos / Max Loderbauer: Re:ECM
6) Humcrush w/ Sidsel Endresen: Ha!
7) Jon Balke & Batagraf: Say and Play
8) David Sylvian: Died In The Wool – Manafon Variations
9) Bon Iver: Bon Iver  
10) Kate Bush: 50 Words for Snow
11) Fennesz & Sakamoto: Flumina
12) Friedman & Liebezeit: Secret Rhythms 4
13) Chris Watson: El Tren Fantasma
14) Sinikka Langeland: The Land That Is Not 
15) Cindytalk: Hold Everything Dear
16) Craig Taborn: Avenging Angel  
17) Wire: Red Barked Tree   
18) Jenny Hval: Viscera 
19) Sigbjorn Apeland & Nils Okland: Lysoen
20) Fire: Unreleased?
21) Radiohead: The King of Limbs
22) The Necks: Mindset
23) Epic45: Weathering
24) Splashgirl: Pressure
25) Alog: Unemployed
26) Kammerflimmer Kollektief: Teufelskamin
27) The Unthanks: Last
28) Giovanna Pessi / Susanna Wallumrod: If Grief Could Wait
29) Marylin Mazur: Celesitial Circle
30) Wilco: The Whole Love

2011 4 Dez

Bokoboko

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Bokoboko

Freed from the search for identity, from the burden of soloists striving to be expressive, from the pressure of avant-garde dictates, the music discovers the magic moments during the repetition of musical patterns based on the material that comes into being. For example, moments when the background unexpectedly becomes the foreground, like an optical illusion, when patterns considered to be unalterable suddenly appear to stand on their heads, or evolve in a wholly new direction. Such effects presuppose the existence of something active between transmitter and receiver: the understanding of a musical message that is also dependent on the listening, and can change in the course of the listening. These are the traces of the process in the course of which the musician took decisions in the capacity of a listener at the same time.

 

(aus dem Text zu der phantastischen neuen CD von Bernd Friedmann alias Burnt Friedman, Bokoboko, Veröffentlichung Februar 2012, s.a. burntfriedman.com)


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