Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

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Archives: Juli 2011

Noch einmal eingekehrt in der Feldküche. Eine Apfelsaftschorle, ein Heidelbeerpfannekuchen. Auf der Fahrt hierhin hörte ich das letzte Studioalbum von Richard Hawley, diese herrlich dunklen Nachtballaden. Komme gerade nicht auf den Titel. Dieses Werk hätte ich vor Jahr und Tag fast ignoriert, denn oberflächliches Hören schien mir nur ein allzu benutzerfreundliches Crooning anzudienen aus der Sinatraschule. Aber Kammerflimmerer Thomas erzählte mir von den vielen Details, die im Hintergrund lauern. Oh, wo waren meine Ohren. normalerweise bin ich ein Hintergrundlauerer. Und seitdem gehört das Album zu meiner Grundausstattung bei Nachtfahrten. Der Pfannkuchen ist gekommen. Herrliche Beeren, fluffiger Teig.

When a couple decides to adopt a stray cat their perspective on life changes radically, literally altering the course of time and space and testing their faith in each other and themselves.

Coming to theatres on August 17, 2011
Starring: Miranda July, Hamish Linklater, David Warshofsky, Isabella Acres, Joe Putterlik

https://www.youtube.com/watch?v=ZqEIhG59ebc

Miranda July ist die Meisterin des Subtextes, der kleinen Details, der Absurditäten des Alltags, der Gedanken, die nicht ausgesprochen werden. All das, was nicht gesagt wird und doch so entscheidend ist in Beziehungen zu anderen: das Ringen um Nähe, die Sehnsucht danach, die Schwierigkeit, sie aufzubauen und dann auch auszuhalten. »Das kann ich wirklich gut beschreiben. Darin fühle ich mich als Superheldin«, sagt sie. Sie schafft es durch Humor, genaues Beobachten und emotionale Tiefgründigkeit, die Gegenwart in all ihrer Kompliziertheit und Skurrilität abzubilden. Auch die Figuren in ihrem Film The Future scheinen das momentane Lebensgefühl der Vereinigten Staaten widerzuspiegeln – angeschlagen, etwas isoliert, von sich selbst besessen und dabei in sich gefangen (aus: Zeit-on-line)

Dear Friends:

Three of us are looking for a few more people to fill out a group traveling to Tibet in mid-September.  We are heading to Yeshe Tsogyal’s birthplace, the Padmasambhava cave complexes of Dzong Kumbum and Drak Yongdzong, and onward to Samye Chimpu and the Yarlung Valley, ending at Yarlung Sheldrak, the famous “Crystal Cave.”  Not organizing this, just tagging along with a doctor, a lama, a saxophone player, and a hobbit.  Optional side trip to Mordor to toss the One Ring into the fires of Mt. Doom. 

We are working with a Tibetan-owned company in Lhasa and are splitting all land costs, which appear to be about $1400 each.  Our motto: “Hard travel to airless places.”  Please get in touch if you’re interested, and  pass this on to anyone you think might want to go.

Cheers from Minnesota,

Steve

 

P.S. from Michael Engelbrecht: if you are seriously interested, just let me know via comment, and i will email you all informations that are necessary.

Hi Michael!  All well, and heading to Tibet.  Fun!  Still pursuing the Dream Yoga you introduced me to in a bar in Dortmund many years ago, no success yet!  Photo is from Kailash, 2009.

Here’s a review I like:

Compilation: Acoustibbets/Elektrobitts/Exotibbets by Steve Tibbetts. So I got a cover letter from Tibbets, saying he’d mastered this 3-CD set from analogue tapes of his 12 CDs and he didn’t know what he was going to do with it. Well, how about selling it and receiving remuneration for your jaw-dropping artistry? I know, I know. In 2011, only Wall Street deserves remuneration for the great service it provides to mankind. Brilliant, one-of-a-kind guitarist/composers should starve with the rest of us. Even so, I think that if the Ventures had gone to the Himalayas right after they first heard Dick Dale, and if they’d learned to play instruments made from dried yak intestines stretched over the femurs of Abominable Snowmen, and then contemplated Miles Davis’ navel for 20 years in a mountain monastery…if all that, then they could have been Steve Tibbetts, and Steve Tibbetts could have had a big hit with“Walk Don’t Run.”

Cheers,

Steve

2009 Kailash north face / -Lott

At one stage in the making of his fantastic album „Natural Causes“, Tibbetts included an acoustic version of Jimi Hendrix’s “Villanova Junction” in his track list, but ultimately felt it didn’t fit the album’s flow. The orphaned track has since been posted by Steve on YouTube, and can still be heard there.

The journey towards ‘a result’ on “Natural Causes” was, as Tibbetts freely admits, a halting one. The artist’s final assessment: “I have a real fondness for the whole thing, similar to a fondness you’d have for a three-legged cat you’d adopted. You don’t drive your kids to the pet store with the intention of buying a three legged cat, but if one hobbles up to your door and you feed it, you might eventually grow fonder of that cat than a regular four-legged one. It’s like that.”

Hier ist das „virtuelle Interview“, das ich mit Steve Tibbetts anlässlich seines Albums „Natural Causes“ machte.  Er sitzt daheim in seinem Studio, liest meine Fragen,  und erzählt.

Tibbetts Interview (mp3)

Guitar Triggers-02 (mp3)

Natural Causes

 

Werke von Steve Tibbetts erscheinen in gehörigen Abständen; der Mann hat es nicht eilig. NATURAL CAUSES heisst der jüngste Streich, und in seiner In-Sich-Gekehrtheit erinnert er von ferne (zumindest im meditativen Gestus) an NORTHERN SONG, sein Debut auf dem Label ECM. Was Marc Anderson (Perkussion, Steel Drum, Gongs) und Steve Tibbetts (Gitarren, Piano, Kalmba, Bouzouki)zu Wege bringen, entstand damals ohne Overdubs in einem norwegischen Tonstudio an zweieinhalb Tagen – jetzt haben sie die vertraute Studiotechnologie in St. Paul benutzt, um in feinen Schichtungen musikalische Essenzen zu destillieren. Immer wieder schimmert da ein fernes Asien durch, selbst, wenn die Klänge einer Bouzouki, Kalimba und Steel Drum eher mit anderen Erdregionen assoziiert werden. Tibbetts hat lange Erfahrungen gesammelt, vor Ort.

Rückblende: man nenne dies nicht Fusion Music und auch nicht Crossover. Die Musik des 1954 in Madison, Wisconsin, geborenen Steve Tibbetts erzählt vom Reisen. Mit sechs Jahren hatte Steve begonnen, die Ukulele zu erforschen, und griff zur akustischen Gitarre, sobald seine Hände sie fassen konnten. Später spielte er in Rockbands und richtete sich im Laufe der Zeit in St. Paul, Minnesota, ein eigenes Studio ein, das bald zum zweiten Instrument wurde – Klangmanipulationen gehörten zum Handwerk eines Musikers, der in seienr Jugend mal über Wochen Tomorrow Never Knows von den Beatles und Ege Bamyasi von Can hörte.

Der Globetrotter aus Passion hielt Abstand zu jedem drohenden Mainstream, vermied die mechanische Griffbrettartistik mancher Kollegen und kämpfte gegen den üblichen Etikettenschwindel: „Folkmusik vom Mars“ nannte ein Journalist sein Klanggebräu. Seine erste große Reise führte nur nach Oslo: Unter der Klangregie Manfred Eichers entstand die karge, leicht pulsierende Gelassenheitskunst von Northern Song. Seitdem mischte der Gitarrist die Höhen- und Breitengrade seiner Musik nach den Gesetzen des freien Falls von Mikadostäbchen und produzierte brillante Werke, mit Titeln wie Safe Journey (1984), Big Map Idea (1990) oder The Fall Of Us All (1994) – eine konstante Verletzung des Orientierungssinnes. Manchmal sind da Geräuschspuren der Fernstraßen um Minneapolis zu hören, der Rocky Mountains oder eines Mönchschors aus Tibet.

Fetzen eines fremden Alltags fanden sich Anfang der Nuller Jahre auch auf seiner CD A Man About A Horse, wenn beim Sampeln Natur- und Tierlaute zusammen mit den bronzenen Sounds von Gongs gespeichert werden (ECM 1814). Fasziniert ist Tibbetts von der Kebyar-Schule der Gamelan-Musik, ihren explosiven Attacken, kühnen Synkopen und verwickelten Läufen aus Blockakkorden. Bali, Indonesien und Nepal wurden bald zum ständigen Reiseziel. Er hört zu, wenn ein Einheimischer von den Geistern der Bäume spricht, und lässt sich vom endlosen Klingklang indonesischer Puppenspiele in den Schlaf wiegen. Kehrt Steve Tibbetts von seinen Reisen zurück, arbeitet er mit frei schwebenden Erinnerungen, nicht mit akustischen Abziehbildern. Asien wird hier zu einer Welt, von der ein später Jimi Hendrix geträumt haben könnte. Komplexe Texturen, die, allem Gitarrenfeuer, aller Perkussionsdichte und Basswucht zum Trotz, eine seltsam beglückende Klarheit verströmen – als könnte man der Musik beim Luftholen zuhören!

Zurück zu NATURAL CAUSES. Hier klingt kaum etwas nach der tantrischen Ekstase von THE FALL OF US ALL oder A MAN ABOUT A HORSE. Hier bricht sich eine (so seltsam das klingen mag) vibrierende, durchdringende Ruhe Bahn, in vornehmlich akustischen Texturen. Lebendige Pulsschläge einer Musik, die eine fantastische Balance findet zwischen Stille und Klang und Rhythmus (abseits der Klischees, die hier immer gleich etwas Heiliges und Spirituelles ins Feld führen!). Was inspirierte Steve Tibbetts diesmal? Nun, es war (u.a.) das an die menschliche Stimmme erinnernde Sarangi-Spiel eines virtuosen indischen Musikers. Tibbetts weiß, wie wenig Sinn es macht, solche asiatischen Klänge naiv oder haarklein in amerikanische Kontexte zu überführen – die fremde Welt darf ihre Fremdheit nicht einbüßen. Das Resultat ist ein Gewebe aus Orient und Okzident, wie man es selten zu hören bekommt. Aber auch solche Kunst führt ins Private, beharrt nicht in abrakten Landkartenideen. Zu der Zeit, als Tibbetts und Anderson an der Musik arbeiteten, war Steves Schwester schwer erkrankt, und die Famile spürte die Gegenwart des Todes. Man lebte in der Vorstelllung, eine geliebte Person bald zu Grabe tragen zu müssen. Und auch dieser Schmerz hat Eingang in diese leise intensive Musik gefunden. Nun, die Dinge nahmen eine Wendung zum Guten, aber etwas von dieser Zeit hat sich in den Zwischentönen niedergelassen, eine Art ungezwungene Einkehr und Nachdenklichkeit.

Sean Kutzko, a long-time fan of Steve Tibbetts, wrote a review on Amazon.com:  „I’ve noticed a curious trend with me whenever Steve Tibbetts releases a new CD: I immediately freak out at the news, order it as soon as possible, and then wait for it to arrive without trying to learn any more about the release. When it finally arrives, there is a very conscious period of time when I hold it in my hands and wonder just what I’m going to get. It’s kind of like in baseball, when the runner rounds third and you realize there’s going to be a play at the plate. There’s a very fun couple of seconds where you know you’re going to see something exciting but you don’t know exactly how it’s going to turn out. I love that about Steve’s CDs. The other thing I’ve learned since Big Map Idea was not to make any initial reviews on the CD. Whether acoustic or electric, Steve’s music is exceptionally rich. It takes time to digest. Natural Causes is a definite shift from his last non-collaborative release, The Fall Of Us All. Yet the album is pure Steve; No track drove this point home to me more than „Chandogra.“ At :18 into the piece, as the acoustic guitar sets the theme, there is a two-note wisp of haunting guitar that definitively sets the mood as Tibbettsian. The rest of the piece features the all-too-familiar mood of Marc Anderson’s frame drums, cymbals and other incidentals coupled with Steve’s thumb piano and stream-of-consciousness lines and hammer-ons. There is no other duet that has such a signature like Tibbetts and Anderson. Like Northern Song, there’s a lot of space between the notes here. It’s beautiful; enjoy it several times, and you will come to see that nobody else could have possibly made such a recording as this.“

 

 

for more information:

https://stevetibbetts.com/

 

Even in the context of Towner’s brilliant career, „Diary“ is an outstanding album — one of the four or five masterpieces in Towner’s solo oeuvre. It’s an astonishingly intimate album, almost private and hermetic as it drills down through layers of gorgeous melody to the roots of music itself in free pieces like „Entry in a Diary.“ This is one of the great rainy day albums of all time, featuring probing dialogues between Towner’s guitar and piano, with occasional percussion. There’s a tender sadness here, but there’s also joy and triumph. Note: This is „early“ Towner — the same moody genius of Oregon’s „Distant Hills“ and „Winter Light.“ The oft-played „Icarus“ gets a victorious reading here, with a tension between the unbridled ecstasy of the melody and Towner’s fragmented attack; „Mon Enfant“ is a perfect solo guitar miniature for the ages — one can imagine Bach hearing it and musing on its delicate melancholy; „Images Unseen“ and „Entry in a Diary“ extend the guitar and piano landscape into free space, adding percussion, in the manner of Oregon’s set-opening improvisations; and one wishes that „Ogden Road,“ with its poignant exchanges between Towner’s inimitable crystalline guitar and his Bill Evans-style piano meditations, would go on forever. A fine introduction to Towner’s solo work — even more inward than, say, „Open Letter,“ if not quite as incendiary as „Solo Concert,“ and more intense than his later all-solo all-instruments outing, „Blue Sun.“ Highest recommendation. (Steven Silberman, Wired)

 
 
diary LP
 

Der Titel des Songs „My Cosmic Autumn Rebellion“  bezieht sich auf meine Rebellion gegen diese Narren, die meinen, daß die Weisheit des Lebens ihnen mitgeteilt hat, daß alles immer schlechter und kälter und dunkler wird. Dahinter  steht die Anschauung, daß mit dem Älterwerden, mit dem Herbst des Lebens  die Geheimnisse gelüftet sind – und was am Ende des Tages übrigbleibt,  sei  alles brutal und häßlich und leidvoll! Aber sie haben unrecht! Sie haben nur  Mist im Kopf!   Sie wissen gar nichts!  Natürlich werden  einige Rätsel gelöst. Eine Tür schließt sich, aber eine andere geht auf. Du kriegst ziemlich schnell mit, daß es keinen Weihnachtsmann gibt,  aber es sind wirklich Menschen da draussen, die diese Ideen  verkörpern von Großzügigkeit und Freundlichkeit und einen voruteislfreien Blick auf das Potential, das Menschen besitzen.  Dieses Verständnis von Welt wird nicht aufhören zu existieren. Vielleicht gibt es keinen Jesus, na und. Aber vielleicht ist da eine Magie in der Freundlichkeit, in der Fähigkeit, einander zu verstehen!  Vielleicht gibt es keine UFOs, aber vielleicht  ist, irgendwo im Weltraum, die Vorstellung von endlosen  Möglichkeiten real!  Die Geheimnisse der  Liebe und der Existenz  und des Todes, wir werden nie dahinter kommen!

https://www.youtube.com/watch?v=Maylcu3kT6I (My Cosmic Autumn Rebellion)

https://www.youtube.com/watch?v=ETI72zGyzZI (if you don´t  fall in love with this incredible song called DO YOU REALIZE, then the Flaming Lips will have nothing to offer to you!)

One, two, three, four –
Do You Realize – that you have the most beautiful face
Do You Realize – we’re floating in space –
Do You Realize – that happiness makes you cry
Do You Realize – that everyone you know someday will die

And instead of saying all of your goodbyes – let them know
You realize that life goes fast
It’s hard to make the good things last
You realize the sun don‘-go down
It’s just an illusion caused by the world spinning round

Do You Realize – Oh – Oh – Oh
Do You Realize – that everyone you know
Someday will die –

And instead of saying all of your goodbyes – let them know
You realize that life goes fast
It’s hard to make the good things last
You realize the sun don‘-go down
It’s just an illusion caused by the world spinning round

Do You Realize – that you have the most beautiful face
Do You Realize

 

Yoshimi Battles the Pink Robots

https://www.youtube.com/watch?v=WESzcFiEP4M&feature=related

 
 
Absencen
 
 
 
Es war einmal in Deutschland eine wilde Zeit, da schossen die seltsamsten Experimente wie Pilze aus dem Boden. Ende der Sechziger Jahre und im Laufe des nicht minder magischen Siebten Jahrzehnts sorgten Gruppen wie Can, Kraftwerk, Cluster und andere für eine Alternative zur anglo-amerikansichen Vorherrschaft der Rockkultur. Die Musik war systemisch, schrullig, archaisch. Brian Eno besuchte Moebius und Roedelius im Weserbergland und fand dort Seelenverwandte seiner „Ambient Music“!

Jahrzehnte später, Ende der 90er Jahre, entwickelte sich, in fast provinzieller Abgeschiedenheit und um den Karsruher Multinstrumentalisten Thomas Weber herum, eine Formation, die manche dieser alten Rezepturen durchleuchtete, verwarf, sich seitwärts treiben liess, und, nach Lehr- und Wanderjahren, drei Alben von einsamer Klasse in die Welt setzte: „Cicadiae“ (2003), „“Absencen“ (2005) und „Jinx“ (2007).

Die Grenzen zwischen digitaler und analoger Musikproduktion verschwammen bei diesen Klangsuchern zusehends. Es entstand eine Gegenwelt zu allem Modisch-Technoiden: wäre da plötzlich eine flüchtige Trompetenfigur  von Jon Hassell aufgetaucht, eine vekratzte Tonspur aus King Tubby´s jamaikanischer Holzhütte, oder ein verlorener Akkord aus einem Go-Betweens-Song: alles wäre an seinem Platz gewesen!   

Musik funktioniert nie ohne Erinnerung: was das Kammerflimmer Kollektief heraufbeschwört, mit seiner Melange von Jazz und Elektronik, mit dem langen Atem des Folk und den langsam rollenden Wellen unbewusst wirkender Melodien, ist eine Form des Erinnerns, der das Zitieren mittels postmoderner Heiterkeit abhanden gekommen ist. Hier steht vor dem Zitat das Vergessen, der Punkt Null – und was dann, in sehnsuchtsvollen, ihre Spannung nie ganz preisgebenden Kompositionen ans Licht kommt, ist reich an fernen Anklängen, und zugleich ureigene Handschrift! 

So mag man sich, in Momenten, erinnert fühlen an die Schwebezustände alter Robert Wyatt-Lieder, an die offenen Stimmungen von Joni Mitchell´s „Hejira“, an ätherisch freie Improvisationen melancholischer West-Coast-Musiker, die abends Richard Brautigan lesen und nachts mit John Coltrane´s „Live At The Village Vanguard Again“ im Ohr einschlafen!  

Die Musik des Kammerflimmer Kollekitefs bleibt indes ein Geheimnis, verrätselt, nicht wirklich zu entziffern! Endlich gibt wieder eine  Formation – „post krautrock“ und „post postrock“ -, die in stillen Kammern das lyrische Potential des freien Jazz genauso weiter wirken lässt wie die unverblümte Lust an Ohrwürmern, Erosionen und all den Stillständen, aus denen Unerhörtes und Unheimliches kommt!

 

Wildling

 

Thomas Weber: Im Unterschied zur Live-Situation, wo wir vor allem mit dem Holz kämpfen, wo die Schwerpunkte eher in der Gruppendynamik und in der Improvisation liegen, gibst bei der Arbeit im Studio Abweichungen: ein bisschen ist es da so wie in dem schönen John Cage-Zitat: am Anfang brummt einem alles Mögliche durch den Kopf, Menschen, Erinnerungen, Verbindungen, Bilder, Texte, andere Stücke, und was weiss ich noch alles, und nach und nach wird alles lichter, und am Ende ist fast gar nichts mehr da, und wer Glückt hat, vergisst sich dann sogar selbst.

Michael Engelbrecht:  Der erste Track eures Album WILDLING, Move Right in, zieht einen ja gleich richtig in die Musik hinein, und über die Jahre hast du mit dem Kammerflimmer Kollektief eine  eigenen Stil  entwickelt. Und oft liest man, gibt es da Bezüge zur alten deutschen elektronischen Musik, zur Krautrockmusik. Wie kommen diese Parallelen zustande bei Musikkritikern?

Thomas:  How, Gott schütze Renate Kropp Krötenschwanz – wenn Krautrock nicht nur experimentelle und drogeninduzierte Musik aus vorzugsweise Westdeutschland ist, sondern auch noch das motorische Moment, und das Improvisationslastige betont wird,  von mir aus können wir dann ruhig Nachfahren des Krautrock sein. Es kann dann aber auch gerne aus Tanger oder Ulan Bator kommen, ist mit am Ende egal. Julian Cope, der britische verrückte Druide, sagt ja, beim Krautrock geht es am Ende allein um Erleuchtung. Und Erleuchtung gibt’s eben nicht bei Hölderlin oder Eloy, Erleuchtung gibt’s  nur bei Can, Faust, Amon Düül und Neu!  Schöner und treffender wäre für unsere Musik, glaube ich, der Begriff „Psychedelic“, der beschreibt für mich sehr gut so eine geistige Mischform aus psychoakustischem und intuitvem Mäandern zwischen einerseits Improvisation und andererseits Loop. Irgendwie bewusstseinsverändernd, aber immer zwischen Präzision und Freiheit, und vor allen Dingen ohne Weltflucht.

Michael:  Spätestens seit der Musik von Jinx spielt ja bei der Musik des Kammerflimmer Kollektiefs dein Gesang eine besondere Rolle, Heike.  Was mir aufällt, jetzt gibt es eine ganze Spannbreite zwischen Phantasiesprache, indisch klingenden Lauten und englischem Gesang. Ist das für Sie eine besondere Herausforderung, bedeutungshaltige Wörter und sinnfreie Wörter zu mischen und die Grenzen zwischen ihnen auszuloten?

Heike Aumüller:  Ja, es hat eine große Wichtigkeit, dass bestimmte Dinge klar sind und bestimmte Dinge unklar sind. Durch das Nichtbeschreiben oder Nichtbesingen oder Auslassen einer sprachlichen Textur entsteht assoziativer Freiraum, der es mir ermöglicht, auf den restlichen instrumentalen Kosmos einzugehen. Unsere Produktion ist ein extrem wandlungsfähiges Ganzes, und es gibt jetzt keine Hierarchien, z.B. Gitarre vorne, Stimme vorne; das ist etwas, das sich so wachsend entwickelt. Das ist jetzt auch nicht von Anfang an so gezielt, dass wir einen Song machen wollen –  oder eine Struktur haben, an der wir festhalten wollen; das ändert sich während des Prozesses und endet in etwas, das vom Anfang nur noch eine bestimmte Stimmung abzeichnet.

Michael:  Wie hast du dich denn mit dem indischen Text dieses Lee Perry-Songs „Bird In Hand“ angefreundet?

Heike: Ja, da gab es so eine längere Anlaufphase. Ich habe versucht, den Text erst über das Hören zu begreifen, ich wusste lange Zeit auch gar nicht, was er bedeutet. Es war im Sommer, es war eines der ersten Stücke für die Platte, ich bin an der Alb gesessen, das ist so ein kleiner Fluss, der bei uns in der Gegend entlang fliesst, ich habe versucht, das so lautmäßig nachzuziehen, was ich höre und hab versucht, das für mich so klarzukriegen. Ich hab gesummt  und gesungen, und das habe ich eine ziemlich lange Zeit gemacht, und auf dem Heimweg, auf dem Fahrradweg lag eine Amsel, die ziemlich desolat aussah, und da musste ich da absteigen   und sie auf die Seite räumen. Was mir erst im Nachhinein so klar wurde, dass der Vogel sprichwörtlich vom Himmel gesungen wurde, weil natürlich…  „Bird In Hand“, also die „Amsel in der Hand“, die ich versucht habe in den Schatten zu räumen in der großen Hitze.

Johannes, du spielst den Kontrabass, damit kommt in die Musik so etwas vom Jazz hinein, aber Ihr Spiel funktioniert ganz anders als in herkömmlichen Jazzbands. Wie definierst du deine Rolle im Kollektief?  

Johannes Frisch:   Mit Jazz habe ich, außer dass ich es gerne höre, eigentlich sehr wenig zu tun; wohl habe ich aber mit der Improvisation zu tun, das war ein Anknüpfungspunkt für mich, hier im Kollektief seit den Anfängen eine Basis zu haben. Wo es einerseits eine Struktur gibt, die allerdings mit sehr viel Improvisation zum Leben gebracht wird. Ich bin also nicht im üblichen Sinne einfach für das tiefe Element zuständig, sondern ich bin als Instrumentalist sehr gerne auch experimentell unterwegs, und suche alle möglichen Klänge aus dem Instrument herauszulocken, die jetzt nicht unbedingt zu den tiefen Tönen gehören oder zu der Basis von dem Song, es gibt viele ganz hohe Dinge, es gibt viele flächige Dinge, und es gibt viele geräuschhafte Elemente, die für mich sehr reizvoll sind. Man experimentiert einfach mit dem Instrument, mit japanischen Haarstäbchen zum Beispiel die man versucht, auf geschickte Weise einzusetzen, dass das eigentlich ein präpariertes Instrument wird, der Kontrabass, vergleichbar mit dem präparierten Klavier von John Cage. (…) Bei unserer Musik ist es so, dass viele Dinge um ein tonales Zentrum kreisen, und oft sind es tonale Zentren, die auch mit offenen Saiten zu spielen erreichbar sind, d.h. es gibt eine ganz große Fülle von Obertöne, die zu einem bestimmten Stück gut passen, mit denen man sehr viel erreichen und ausmalen kann. 

Heike: Die räumliche Expansion unseres Bassisten entsteht ja in irgendeiner Weise chamäleonartig, der Bass wechselt die tonalen Farben,  er gleitet in Sphären ab, wo er als Baß schlichtweg nicht wahrnehmbar ist.

Johannes: Im Prinzip ist das einfach ein live gespieltes Stück. Es ist eine Atmosphäre, die wir gern auch auf der Bühne erzeugen, das  Sich-Verlieren-Können in einer Atmosphäre, in einem Motiv … es gibt ja verschiedene Motive,  die in diesem Stück auftauchen , wieder verschwinden, Dinge, die sich entwickeln, die sich anbahnen, die dann wieder abzweigen, aber trotzdem bleibt das Ganze in so einem Zustand, in dem man anfängt zu fliegen, ohne dass man jetzt dazu irgendwelche Hilfsmittel ausser der Musik selbst einsetzt.

Michael:  Auf manche Weise geistert ja Pop- und Jazzgeschichte  durch die Musik des Kollektiefs. Ich denke da an euren Track „There´s A Crack In Everything“, eine Zeile aus einem Leonard Cohen-Lied. Gibt es in diesem Lied tatsächlich einen Bezug zu diesem Cohen-Song, assoziativ, oder wie ist der?

Thomas: Dass die jazz-und pophistorischen Verweise sich durch unser Werk ziehen, muss wohl daran liegen,  dass die Musik schlicht und ergreifend sowas wie eine Art  Ersatzreligion geworden ist für mich über die Jahre. Schon früh hat sich mir die Welt vor allem über gehörte Musik und die ganzen spinnwebenfeinen unterirdischen Verbindungen erschlossen und erklärt. Und gerade so manche Zeilen wie „There´s a Crack in everything / that´s how the light gets in” sind mir über die Jahre im Synapsenflimmern so anhänglich geworden, dass die Worte am Ende wahrscheinlich in einer unaufgeregten Ecke im Gehirn abgelegt wurden und aus irgendeiner unterbewussten Schublade, so Gott will, wenn die Zeit gekommen ist, wieder abgerufen werden können.

„Wildling ist ein Füllhorn von zartem Groove, feinem Geräusch, frei herumgeisternden Melodien. Wildling befreit sich aus jeder Schublade. Wer  an Krautrock denkt, wird  von Sauerkraut träumen. Natürlich gibt es bei diesem Wildling Anklänge, aber die sind so feinstofflich, dass sich wie bei Zaubertinte alle  Referenzen verflüchtigen, kaum hat man sie aufs Papier gebracht.“ (M.E., in einer Klanghorizonte-Sendung)

TEUFELSKAMIN, das neue Werk des Kammerflimmer Kollektiefs, erscheint am 11. Oktober 2011. Hier gibt es daraus bald einen Track zu hören.

Ich liebe Lambchop. Dies sind die Lambchop-Tage bei den Manafonistas. Aus keinen besonderen aktuellen Anlass. Das folgende Gespräch fand in Köln statt, im Chelsea Hotel.

Ich hatte begonnen, ein paar Songzeilen zu schreiben, da rief mich meine Frau an, und sagte daß heute der National Talk Like A Pirate Day sei, eine verrückte Sache in den USA, aber einem Tag  des Jahres dürfen alle in ihren Büros und Läden wie Piraten sprechen und sich maskieren. Nach  dem Telefonat fiel mein Blick auf ein altes Bild  meiner Frau als junges Mädchen, sie ist in ihren Pyjamas zu sehen, da ist ein alter Plattenspieler und das Hockeyspiel auf dem Tisch. Ich beschrieb das Photo und fügte Dinge aus der realen Zeit hinzu. Es sollte nur ein kleiner Folksong werden…

 In diesem Song gibt es auch ein Zitat des Schriftstellers Robert Louis Stevenson: “Ihr Gesang war ihre Zuflucht von unbehaglichen Gedanken” Nun, Stevenson hat auch Piraten- und Südseegeschichten geschrieben, aber dieser Satz könnte ja auch auf was sehr Privates weisen..

 Mhmm… Ich bekam von meinen Eltern mal so ein ganz dickes zweibändiges Wörterbuch. Neben den Wörtern finden sich darin auch Sprüche, in denen diese Wörter benützt werden, aus der großen Literatur, aber auch Trash, da gibt es alles möglichen Quellen von dem  leider viel zu unbekannten Songwriter Terry Reid bis zu Zitaten aus dem New Musical Express und dem Literaturfeuilleton der New York Times. Das war alles sehr unverbunden. Aber so lassen sich in  einem kleinen Up-Tempo-Song Fragmente aus vielen Gedankenwelten hineinarbeiten, und plötzlich spürt man verrückte Zusammenhänge. Ich mochte genau das, solche  eigentlich  unvereinbaren Dinge  in den einen oder anderen Song einzuflechten. 

 Wenn man sich das Cover Ihres neuen Albums ansieht, da sieht man im Vordergrund das nackte Liebespaar, vielleicht ist es  unglücklich, etwas müde, während die Welt sich draussen vor dem Fenster abspielt, Das Bild hat etwas von der Atmosphäre eines Edward Hopper-Gemäldes. 

 Da spielt sich für mich  was Interessantes ab, wenn man das Bild beim ersten Mal wahrnimmt. Ich mag daran, dass zuerst das Paar auffällt, ihre Umarmung, ihre Nacktheit, das wirkt tatsächlich wie ein eingefrorener Augenblick, eine Art erstarrter Melancholie, aber hinter ihnen ist ein Fenster, und draussen  spielen sich schreckliche Dinge ab: Polizisten verprügeln einen Mann, eine Menschenmenge schaut zu und wird von anderen Uniformierten  zurückgedrängt. Da geschieht  also mehr, als man beim ersten Moment wahrnimmt. Wie in guten Songs existieren da verschiedene Ebenen, die erst klarer werden, wenn man sich etwas mehr auf sie einlässt.

 Manchmal geht es sehr befremdlich und rätselhaft zu in Ihren Texten, zum Beispiel die ersten Zeilen des  Songs “Popeye”. Da heisst es: “Traurigerweise ist unsere ganze Beschäftigung die Beschäftigung mit unserem Sterben hier bei und zuhause, und für den Augenblick klingt das doch ganz gut”. Mhm, also, das klingt doch auch sehr seltsam.

 Jaja, das ist ja auch kein besonders hübscher Gedanke.  Ich habe den Text zu dem Song  “Popeye” zweimal geschrieben, die erste,  nicht gesungene Fassung wirft sicher einen filmischen Schatten auf den jetzt existierenden Song, sonst blieb nur der Titel “Popeye”. Ursprünglich ging es um die Erfahrung, die jeder kennt, Du siehst im Film Orte,  an denen du wirklich einmal warst.  Einmal sah ich den Film “The French Connection”. Gene Hackman spielt die Hauptfigur namens Popeye Doyle, und er versteckte sich im Flur eines Hotels, in den ich ein paar Wochen vorher eine Nacht verbrachte hatte. Aus bestimmten Gründen änderte ich bis auf den Titel alle Wörter. In dem jetzigen Lied geht es um das Älterwerden einer Familie, eines Paares, den Tod der Eltern.  Auf  etwas andere Art wie in dem Film mit Gene Hackman, der sich ja auch durch ein dunkles Schattenreich bewegt, schwebte mit ein Charakter vor wie in einem Roman, der in lose verknüpften Szenen alle möglichen Sterblichkeiten durchspielte. Es waren einafch Projektionen, wie das alles sein würde, und so beschrieb ich all diese eher imaginären Momente.

https://www.youtube.com/watch?v=426lLd40VvE

 Bei dem Song “Close Up” gibt e es ja auch visuelle Elemente.  Was spielt sich da in Ihrem Hinterkopf ab?

 Gerade dieser Song ging einfach beschreibend mit einer Erfahrung um, die ich gemacht habe. Da habe ich die Bilder geradezu vor mir, ein paar sehr schmerzhafte   tauchten auch auf, aber wenn man beginnt, mit Worten zu malen, kann man eine neue Gelassenheit entwickeln. Singenderweise kann man ein wenig aus seiner eigenen Existenz heraustreten –  und in einem guten Moment wieder in sie hineinschlüpfen!   Alle sechs Monate gehe ich zum meinem Arzt und mache einen Bluttest, um zu sehen, ob ich frei von Krebs bin. Nach meiner Erkrankung muss ich das nun meinen Leben lang machen. Aber ich komme damit jetzt klar, es ist gut, und ich ebreit für meine meine kleine Begegenung mit Gott, falls es dazu mal kommen sollte! 

 Können sie sich an einen besonderen Moment erinnern, in denen Ihnen eine Melodie des Albums plötzlich durch den Kopf schoss. Man kann ja dafür alles Mögliche tun, am Klavier ein paar Noten spielen, in der Dusche einfach drauflos singen und auf diesen Moment warten…

 Das ist seltsam: ich kann mich  an das Zimmer  erinnern, in dem ich saß, oder an den Stuhl, in dem ich es mir bequem gemacht hatte, aber aus irgendeinem Grund kann ich nie diesen Augenblick dingfest machen, indem ein paar Töne zueinander finden, irgendwie genau richtig  klingen und mich verblüfft denken lassen: o, das ist gut. Das ist wohl so ein “schwarzes Loch” im Bewußtsein, allerdings  ein gutes “schwarzes Loch”. Die Situationen  sind mir gegenwärtig, aber ich kann mich nicht errinnern, was da exakt vor sich ging. Woran liegt das?

Oh (Ohio),Ltd.Edt.


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