Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

Ich liebe Lambchop. Dies sind die Lambchop-Tage bei den Manafonistas. Aus keinen besonderen aktuellen Anlass. Das folgende Gespräch fand in Köln statt, im Chelsea Hotel.

Ich hatte begonnen, ein paar Songzeilen zu schreiben, da rief mich meine Frau an, und sagte daß heute der National Talk Like A Pirate Day sei, eine verrückte Sache in den USA, aber einem Tag  des Jahres dürfen alle in ihren Büros und Läden wie Piraten sprechen und sich maskieren. Nach  dem Telefonat fiel mein Blick auf ein altes Bild  meiner Frau als junges Mädchen, sie ist in ihren Pyjamas zu sehen, da ist ein alter Plattenspieler und das Hockeyspiel auf dem Tisch. Ich beschrieb das Photo und fügte Dinge aus der realen Zeit hinzu. Es sollte nur ein kleiner Folksong werden…

 In diesem Song gibt es auch ein Zitat des Schriftstellers Robert Louis Stevenson: “Ihr Gesang war ihre Zuflucht von unbehaglichen Gedanken” Nun, Stevenson hat auch Piraten- und Südseegeschichten geschrieben, aber dieser Satz könnte ja auch auf was sehr Privates weisen..

 Mhmm… Ich bekam von meinen Eltern mal so ein ganz dickes zweibändiges Wörterbuch. Neben den Wörtern finden sich darin auch Sprüche, in denen diese Wörter benützt werden, aus der großen Literatur, aber auch Trash, da gibt es alles möglichen Quellen von dem  leider viel zu unbekannten Songwriter Terry Reid bis zu Zitaten aus dem New Musical Express und dem Literaturfeuilleton der New York Times. Das war alles sehr unverbunden. Aber so lassen sich in  einem kleinen Up-Tempo-Song Fragmente aus vielen Gedankenwelten hineinarbeiten, und plötzlich spürt man verrückte Zusammenhänge. Ich mochte genau das, solche  eigentlich  unvereinbaren Dinge  in den einen oder anderen Song einzuflechten. 

 Wenn man sich das Cover Ihres neuen Albums ansieht, da sieht man im Vordergrund das nackte Liebespaar, vielleicht ist es  unglücklich, etwas müde, während die Welt sich draussen vor dem Fenster abspielt, Das Bild hat etwas von der Atmosphäre eines Edward Hopper-Gemäldes. 

 Da spielt sich für mich  was Interessantes ab, wenn man das Bild beim ersten Mal wahrnimmt. Ich mag daran, dass zuerst das Paar auffällt, ihre Umarmung, ihre Nacktheit, das wirkt tatsächlich wie ein eingefrorener Augenblick, eine Art erstarrter Melancholie, aber hinter ihnen ist ein Fenster, und draussen  spielen sich schreckliche Dinge ab: Polizisten verprügeln einen Mann, eine Menschenmenge schaut zu und wird von anderen Uniformierten  zurückgedrängt. Da geschieht  also mehr, als man beim ersten Moment wahrnimmt. Wie in guten Songs existieren da verschiedene Ebenen, die erst klarer werden, wenn man sich etwas mehr auf sie einlässt.

 Manchmal geht es sehr befremdlich und rätselhaft zu in Ihren Texten, zum Beispiel die ersten Zeilen des  Songs “Popeye”. Da heisst es: “Traurigerweise ist unsere ganze Beschäftigung die Beschäftigung mit unserem Sterben hier bei und zuhause, und für den Augenblick klingt das doch ganz gut”. Mhm, also, das klingt doch auch sehr seltsam.

 Jaja, das ist ja auch kein besonders hübscher Gedanke.  Ich habe den Text zu dem Song  “Popeye” zweimal geschrieben, die erste,  nicht gesungene Fassung wirft sicher einen filmischen Schatten auf den jetzt existierenden Song, sonst blieb nur der Titel “Popeye”. Ursprünglich ging es um die Erfahrung, die jeder kennt, Du siehst im Film Orte,  an denen du wirklich einmal warst.  Einmal sah ich den Film “The French Connection”. Gene Hackman spielt die Hauptfigur namens Popeye Doyle, und er versteckte sich im Flur eines Hotels, in den ich ein paar Wochen vorher eine Nacht verbrachte hatte. Aus bestimmten Gründen änderte ich bis auf den Titel alle Wörter. In dem jetzigen Lied geht es um das Älterwerden einer Familie, eines Paares, den Tod der Eltern.  Auf  etwas andere Art wie in dem Film mit Gene Hackman, der sich ja auch durch ein dunkles Schattenreich bewegt, schwebte mit ein Charakter vor wie in einem Roman, der in lose verknüpften Szenen alle möglichen Sterblichkeiten durchspielte. Es waren einafch Projektionen, wie das alles sein würde, und so beschrieb ich all diese eher imaginären Momente.

https://www.youtube.com/watch?v=426lLd40VvE

 Bei dem Song “Close Up” gibt e es ja auch visuelle Elemente.  Was spielt sich da in Ihrem Hinterkopf ab?

 Gerade dieser Song ging einfach beschreibend mit einer Erfahrung um, die ich gemacht habe. Da habe ich die Bilder geradezu vor mir, ein paar sehr schmerzhafte   tauchten auch auf, aber wenn man beginnt, mit Worten zu malen, kann man eine neue Gelassenheit entwickeln. Singenderweise kann man ein wenig aus seiner eigenen Existenz heraustreten –  und in einem guten Moment wieder in sie hineinschlüpfen!   Alle sechs Monate gehe ich zum meinem Arzt und mache einen Bluttest, um zu sehen, ob ich frei von Krebs bin. Nach meiner Erkrankung muss ich das nun meinen Leben lang machen. Aber ich komme damit jetzt klar, es ist gut, und ich ebreit für meine meine kleine Begegenung mit Gott, falls es dazu mal kommen sollte! 

 Können sie sich an einen besonderen Moment erinnern, in denen Ihnen eine Melodie des Albums plötzlich durch den Kopf schoss. Man kann ja dafür alles Mögliche tun, am Klavier ein paar Noten spielen, in der Dusche einfach drauflos singen und auf diesen Moment warten…

 Das ist seltsam: ich kann mich  an das Zimmer  erinnern, in dem ich saß, oder an den Stuhl, in dem ich es mir bequem gemacht hatte, aber aus irgendeinem Grund kann ich nie diesen Augenblick dingfest machen, indem ein paar Töne zueinander finden, irgendwie genau richtig  klingen und mich verblüfft denken lassen: o, das ist gut. Das ist wohl so ein “schwarzes Loch” im Bewußtsein, allerdings  ein gutes “schwarzes Loch”. Die Situationen  sind mir gegenwärtig, aber ich kann mich nicht errinnern, was da exakt vor sich ging. Woran liegt das?

Oh (Ohio),Ltd.Edt.

This entry was posted on Dienstag, 12. Juli 2011 and is filed under "Blog". You can follow any responses to this entry with RSS 2.0. Both comments and pings are currently closed.

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